Chicago Marathon 2024 – Stern Nummer 5

Der Chicago Marathon gehört neben Berlin, London, Tokio, New York und Boston zu den sechs World Marathon Majors. Für viele Läufer ist es ein großer Traum alle Majors zu laufen und sich die Six Star Medal zu verdienen.
Chicago reizte mich in dieser Reihe der großen Stadtmarathon eigentlich am wenigsten, da ich aber nach vielen erfolglosen Versuchen endlich einen Startplatz für Tokio ergattern konnte, wollte ich die sechs dann auch voll machen und so ging es diesen Oktober für uns nach Chicago.

Start oder kein Start?

Anfang des Jahres hatte ich mich für den Chicago Marathon angemeldet. Da es in Chicago die Möglichkeit gibt, sich über eine Qualifikationszeit anzumelden, war das kein Problem für mich und der Startplatz war mir sicher. Diese Möglichkeit bieten leider nicht alle Majors, sodass man bei diesen sehr viel Glück oder ein dickes Portemonnaie haben muss.
Michelle musste allerdings auf ihr Losglück hoffen, um einen Startplatz in der Lotterie zu ergattern. Doch leider bekam sie eine Absage.

Als ich die Hotelpreise für das Marathon Wochenende in den gängigen Buchungsportalen sah, dachte ich zuerst an einen Fehler. Für fünf Nächte begann die Preisskala bei 1700 Euro für ein Standardzimmer. Bei Airbnb sah es auch nicht besser aus.
Die Inflation in den USA hat die Preise förmlich explodieren lassen und zu diesem Großereignis wurden die ohnehin schon hohen Preise nochmal verdreifacht.
Günstiger wurden die Unterkünfte erst weit außerhalb der Stadt. Doch jedes mal 90 Minuten one-way in die Stadt zu fahren, macht ja auch keinen Sinn.

Chicago Marathon 2024 Approved

Nach langem hin und her trafen wir die Entscheidung, dass ich das Geld für den Startplatz in den Wind schieße und wir nicht zum Chicago Marathon fliegen. Es war einfach zu viel Geld dafür, dass nur ich laufen würde. So wichtig war mir weder der Chicago Marathon, noch das Stück Blech der Six Star Medal.
Dann vielleicht ein anderes Mal, wenn Michelle auch einen Startplatz sicher hat.

Doch es kam plötzlich ganz anders.
Michelle bekam von Maurten die Möglichkeit für einen Start beim Chicago Marathon angeboten. Das änderte natürlich alles. Wenn wir beide laufen können, wollten wir doch nach Chicago fliegen.
Damit stand dann relativ kurzfristig doch noch eine Reise nach Chicago an.

Die Tage vor dem Chicago Marathon

Mittwoch – Reise nach Chicago

Am Mittwochmorgen ging es los. Die Zugfahrt von Bingen zum Frankfurter Flughafen sollte eigentlich nur eine knappe Stunde dauern. Am Ende waren es über zwei Stunden. Verspätung, Zugausfall, Notarzteinsatz. Das volle Programm. Ich war maximal gestresst.

Der Rest der Reise verlief dann allerdings problemlos, bis wir in Chicago landeten. Die Immigration dauerte über drei Stunden. Die Halle war voll mit Menschen und die wenigen Schalter, an denen die Einreisenden kontrolliert wurden, reichten hinten und vorne nicht aus.
Wir hatten schon gehört, dass es manchmal etwas länger dauern kann, aber das war schon hart an der Schmerzgrenze.
Die eigentliche Einreise ging dann zum Glück ganz schnell und der Beamte stellte uns tatsächlich nur eine Frage: „Marathon?“. „Ja.“. „Willkommen in den Vereinigten Staaten.“.

So kamen wir erst am Abend nach Einbruch der Dunkelheit im Hotel an und der Rest des Tages beschränkte sich auf Essen und Schlafen.

Chicago Marathon 2024 03 Blue Line

Donnerstag – Sightseeing und Chicago Marathon Expo

Am nächsten Morgen gab es dann etwas Sightseeing in Downtown Chicago. Cloud Gate, Crown Fountain, Millennium Park und ein bisschen chillen am Chicago Yacht Hafen.

Die ganze Stadt ist zum Marathon mit Nike Werbung plakatiert. Die Kampagne, die Nike fährt, ist richtig gut. Werbung und schnelle Schuhe kann Nike.
Am Straßenrand steht ein Nike Transporter und man bekommt das Angebot, seine Laufschuhe, die man gerade trägt, gegen ein paar neue Nike zu tauschen. Leider nehmen sie nur die Schuhe anderer Marken, sonst hätten sie meine ausgelatschten FreeRun gerne haben können. Zum Trost bekomme ich eine unfassbar hässliche Goldkette mit diamantbesetztem Nike-Logo, billigster Nippes.

Chicago Marathon 2024 04 Cloud Gate

Die Marathon Expo

Dann geht es mit dem Zug zur Marathon-Expo. Wir holen unsere Startnummer und das Eventshirt, was super organisiert ist und sehr schnell geht.
Danach schlendern wir ein wenig über die Messe. Es gibt irgendwie kein richtiges Highlight, doch im Gegensatz zu vielen anderen Messen sind hier fast alle Laufschuhhersteller vertreten. Das macht es zumindest etwas spannender und man kann sich mal alle Superschuhe auf einem Fleck anschauen. Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft.

Am Puma Stand gibt es dann doch ein kleines Highlight für mich, denn ich darf den Fast-RB Nitro probelaufen. Drei Carbonplatten, 55mm Stack, absolut nicht race-legal und verdammt hässlich.
Ich muss lachen, weil der Bounce so absurd ist. Das ist kein Schuh, das ist ein Katapult. Kein Wunder, dass dieser Schuh im Rennen verboten ist. Es war aber eine coole Erfahrung.

Beim Maurten Stand dürfen wir uns noch ein Race-Bag abholen, gefüllt mit allem, was man für den Race Day braucht – Riegel, Gel, Drink-Mix. Damit war dann auch die Race-Nutrition geregelt.

Nach ein paar obligatorischen Fotos mit der Startnummer ging es dann zurück.

Da es schon recht spät und draußen bereits dunkel war, wurde die Trainingseinheit auf das Laufband verlegt und die Einheit mit Blick auf die Skyline von Chicago erledigt.
Hotel mit Gym hat schon was.

Freitag – River Walk und Punk Rock

In unserem Hotel lernten wir zufällig sehr nette Menschen kennen, die uns auf Instagram folgen und uns in der Lobby erkannten und natürlich auch zum Marathon in der Stadt waren. Zufälle gibt’s. Die positiven Seiten von Social-Media.
Wir haben uns auf Anhieb so gut verstanden, dass wir den Tag miteinander verbrachten und den River Walk entlang des Chicago Rivers machten und die imposanten Hochhäuser der Stadt bestaunten.
Ich bin etwas verwirrt, als ein Kanufahrer mich zu sich winkt. Wie sich herausstellt ein Leser dieses Blogs, der mich erkannt hat. Die Welt ist ein Dorf. Grüße, falls du das hier liest.

Am Pier von Chicago gab es dann für jeden noch einen Rainbow Cone, eine Chicagoer Eisspezialität.

Am Abend ging es für Michelle und mich dann noch zu einem Punkrock Konzert im Reggies, einem richtig schönen Punkrock-Laden am Stadtrand.
Die beiden Bands Take the Reins und The Bollweevils aus Chicago haben uns richtig gut gefallen. Die Band danach war dann nicht so unser Fall, so dass wir beschlossen den Abend vorzeitig zu beenden. Schließlich war es schon fast 23 Uhr.
Leider gab es in der U-Bahn noch einen Notarzteinsatz, so dass es dann doch ganz schön spät wurde, bis wir endlich ins Bett kamen.

Chicago Marathon 2024 26 Nighttrain

Samstag – Pre-Race

Am Samstagmorgen trafen wir uns mit unserer neuen Urlaubsbekanntschaft zum Shake Out Run, für den wir eine öffentliche 400 Meter Bahn im Lake Shore Park nutzten.
Danach haben wir auch noch brav eine Stretching-Einheit auf der Dachterrasse unseres Hotels gemacht. Bei strahlendem Sonnenschein und Aussicht auf die Skyline von Chicago. Das hatte schon was.

Zum Abendessen veranstalteten wir dann zu viert unsere ganz private Pasta Party im Aufenthaltsraum unseres Hotels.

Chicago Marathon 2024 30 Lake Shore Park

Der Chicago Marathon

Um 4:30 Uhr klingelt der Wecker. Mit einem Start um 7:30 Uhr gehört der Chicago Marathon zu den ganz frühen Vögeln.

Die Wettervorhersage für heute ist fast perfekt. Nach den sehr warmen letzten Tagen, soll es heute nur noch um die 18°C warm werden und leicht bewölkt.

Nach zwei Maurten Solid Riegeln und einem Kaffee geht es los. Zu viert machen wir uns auf den Weg zum Grant Park.
In der U-Bahn wird es kurz hektisch, da der Automat weder unsere Kreditkarten noch die Zahlung per Handy akzeptiert. Zum Glück haben wir noch etwas altmodisches Bargeld.

Pünktlich zur Öffnung des Grant Park um 5:30 Uhr sind wir am Einlass und nach einem kurzen Sicherheitscheck im Wartebereich, wo wir es uns auf mitgebrachten Decken am Fuße des Buckingham Fountain bequem machen.
Zum Glück ist es nicht ganz so kalt und vor allem trocken.

Chicago Marathon 2024 Der Rennmorgen

Gegen 6:45 Uhr machen wir uns bereit für den Lauf, geben unsere Beutel ab und machen uns auf den Weg in unsere Startblöcke.
Die Schlangen vor den Dixi-Klos sind gigantisch und einige schlagen sich bereits aus Verzweiflung in die Büsche. Ich bin ganz froh, dass es für die Männer mobile Pissoirs gibt, so dass ich nicht lange warten muss. Das ist schon sehr ungerecht.

Dann verabschiede ich mich von Michelle und dem Rest unserer Truppe, da ich zwei Startblöcke weiter vorne einsortiert bin.

Warten auf den Start

In meinem Startblock begebe ich mich an den Anfang des Blocks, setzte mich, wie viele andere auch, auf den Boden und warte auf den Start.

Mein Coach hat mir im Vorfeld gesagt, dass ein 2:50 Marathon durchaus machbar wäre. Ich rechne mir die Pace aus und runde sie auf einen glatten 4er Pace. Damit rechne ich mir eine Zielzeit von 2:52 aus.
Eine Bestzeit steht heute nicht zur Debatte, aber man muss sich ja ein Ziel setzen. 2:52 klingt ganz gut für mich. Damit hätte ich die Qualifikationszeit für den Berlin Marathon, auch wenn ich nicht vorhabe, Berlin im nächsten Jahr zu laufen.
Außerdem bin ich bisher noch keinen Major unter 3 Stunden gelaufen. Es wird also langsam mal Zeit.
Dass mir bei meinen Überlegungen ein kleiner Rechenfehler unterlaufen ist, wird mir erst später bewusst.

Startschuss zum 46. Chicago Marathon

Vor dem Start gibt es noch eine Schweigeminute für Kelvin Kiptum, der im letzten Jahr in Chicago einen Fabelweltrekord aufgestellt hat und dieses Jahr bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen ist.

Kurz darauf erfolgt der Start und langsam setzt sich das Feld vor mir in Bewegung. Als der Durchgang geöffnet wird, versuche ich im Block vor mir noch so weit wie möglich nach vorne zu kommen.
Dann geht es über die Startlinie und auf die Strecke.

Die Straße ist sehr breit und so verteilt sich das Feld zum Glück ganz gut. Leider gibt es auch in Chicago viele LäuferInnen, die sich mit utopischen Zielzeiten anmelden, um in einen der vorderen Blöcke zu gelangen und dann ihre MitläuferInnen zu blockieren.
Auch in Chicago erfolgt leider keine Validierung der angegebenen Zeiten.
Da man aber genug Platz hat, ist es hier halb so wild.

Ich laufe mit einem Pace knapp unter vier Minuten los.
Bei der Zeitnahme muss man in Chicago etwas aufpassen, denn in den Schluchten der Hochhäuser ist das GPS-Signal nicht besonders akkurat. Deshalb achte ich darauf, bei jeder Kilometermarke die Zeit zu korrigieren.

Die Stimmung an der Strecke ist prächtig. Es werden heute über 1,2 Millionen ZuschauerInnen erwartet. Die sportbegeisterten AmerikanerInnen feuern die über 50.000 LäuferInnen frenetisch an. In der Hochhauskulisse von Chicago ist das schon richtig geil.

Die ersten fünf Kilometer durch Downtown Chicago und die Loop laufen sich richtig locker. Das könnte an der spektakulären Strecke liegen und an den tausenden Menschen am Straßenrand.

Ein kleiner Rechenfehler

Als mein Blick auf die prognostizierte Zielzeit fällt, bin ich kurz verwirrt. 2:48 Stunden steht da.
Ich brauche einige Zeit, bis mir aufgeht, dass man mit einem 4er Pace auf den Marathon mitnichten bei 2:52 Stunden ankommt, sondern irgendwo im Bereich von 2:48, so wie es mir meine Garmin gerade anzeigt.
Offenbar habe ich mich im Pace-Rechner vertippt. Auch nach 12 Jahren Marathon macht man noch solche Fehler.

Zwischenzeitlich waren wir entlang des Lake Michigan weit in den Norden der Stadt gelaufen, von wo es nach gut 13 Kilometern wieder zurück Richtung Innenstadt ging.
Da ich die Pace immer noch gut laufen konnte und meine Garmin weiterhin eine Zeit deutlich unter 2:50 Stunden anzeigte, fasste ich den Plan, diese Zeit auch erreichen zu wollen.

Meine Verpflegungsstrategie sah vor ein Maurten Gel alle sechs Kilometer zu nehmen. Für den ersten Teil der Strecke hatte ich mir vier Gel eingepackt. Die übrigen beiden Gel wollte ich an der Strecke aufnehmen. Immer gut, wenn es die eigene Verpflegung auch an der Strecke gibt, dann muss man nicht so viel schleppen.

Chicago Marathon 2024 Fly

Halbmarathon

Zur Halbmarathonmarke ging es vorbei am Merchandise Mart und über den Chicago River zurück in die Loop, den Innenstadtring, der von der ikonischen Hochbahn eingefasst wird. Ich merke, dass meine hintere Oberschenkelmuskulatur zu zwicken beginnt. Bisschen früh, denke ich mir.

Kurz darauf erreiche ich die Biofreeze Pain Relief Zone und ich biege ab, um mir mit dem kühlenden Spray die Oberschenkel frosten zu lassen. Das tut richtig gut und lässt die Oberschenkel für eine Weile verstummen.

Die Stimmung an der Strecke ist weiterhin fantastisch.
Das Wetter ist für die Zuschauer nahezu perfekt. Für meinen Geschmack ist es allerdings etwas zu warm. Immer wenn die Sonne sich blicken lässt, wird es direkt fast sommerlich und der Schweiß läuft mir in die Augen.
Auch der Wind bläst ganz ordentlich, hält sich aber noch im Rahmen. Dank des großen Läuferfelds kann man sich eigentlich immer hinter anderen LäuferInnen verstecken und so deren Windschatten nutzen. Könnte der Grund sein, warum Chicago auch die Windy City genannt wird.

Chicago Marathon 2024 Party On

Der Mann mit dem Hammer

Es geht durch den Westen der Stadt, wo es zum Teil etwas industrieller und damit auch leerer an der Strecke wird.
Ich merke, dass meine hintere Oberschenkelmuskulatur immer mehr zugeht und bei Kilometer 27 kommt der berühmte Mann mit dem Hammer.
Das ist leider viel zu früh bei einem Marathon und mir ist klar, dass das noch ein harter Weg bis ins Ziel wird.

Bei meiner Pace steht ab diesem Punkt eigentlich immer eine Vier am Anfang. Ich versuche so gut es geht unter 4:10 Minuten zu bleiben, aber es fällt mir immer schwerer.

Es war wohl doch etwas vermessen, dieses Tempo anzugehen. Schließlich habe ich dieses Jahr beim Training kaum Laufschuhe getragen, von langen Läufen gar nicht zu reden. Ich bin dieses Jahr exakt fünf mal mehr als 20 Kilometer gelaufen und da sind der Ironman Klagenfurt und der Marathon Pour Tous in Paris bereits mitgezählt.
Dafür läuft es eigentlich hervorragend.

Leiden in Chinatown

Als wir nach 35 Kilometern Chinatown erreichen und die Stimmung am Streckenrand wieder richtig am Kochen ist, bin ich sehr am Leiden und muss an einer Verpflegungsstation kurz anhalten. Ich nehme zwei Becher Gatorade Endurance. Obwohl ich das Zeug eigentlich überhaupt nicht abkann, ist meine Hoffnung, dass die Elektrolyte verhindern, dass meine Beine krampfen.
Es sind noch sieben Kilometer bis zum Ziel. Ich laufe weiter. Immer wieder schaue ich auf die Uhr und rechne mir meine Zielzeit aus. So wie es jetzt läuft, muss ich mich wohl von einer Zeit unter 2:52 Stunden verabschieden. Die 2:55 Stunden würde ich gerne noch halten, aber auch dies wird knapp.

Chicago Marathon 2024 Chinatown

Ich überhole immer mehr LäuferInnen, die gehen. Ich widerstehe der Verlockung mich ihnen anzuschließen. Noch.

Es geht weiter Richtung Süden und wir entfernen uns immer weiter vom Ziel. Die Strecke zieht sich wie Kaugummi, bevor es nach 38 Kilometern endlich zurück und Richtung dem erlösendem Ende geht.

Nur noch vier Kilometer.
Vor mir bleibt ein Läufer abrupt stehen, sodass ich einen ungelenken Ausfallschritt machen muss. Diese Änderung im Bewegungsablauf lässt mein ganzes linkes Bein krampfen. Schmerzverzerrt hinke ich einige Meter weiter, bis sich der Krampf wieder löst und ich zum Glück weiterlaufen kann.
Meine Pace hat sich zwischenzeitlich bei 4:20 Minuten eingependelt. Ich verliere also alle drei Kilometer eine Minute auf mein ursprüngliches Ziel, aber es geht nicht mehr schneller.
Zum Glück sind es nur noch drei Kilometer.

Zielgerade

Je näher wir uns auf der Michigan Avenue dem Ziel nähern, desto voller wird es am Straßenrand. Unmengen von ZuschauerInnen peitschen den leidenden Haufen nach vorne.

Chicago Marathon 2024 Mit Skyline

Dann am „1000 meters to go“-Schild schießt mir plötzlich ein stechender Schmerz in mein rechtes Knie, sodass ich stehen bleiben muss. Das IT-Band sagt mir sehr schmerzhaft Hallo.
Auch diesen Schmerz kenne ich bereits, allerdings ist es schon sehr lange her, dass ich damit Probleme hatte. Ich kenne eine Dehnübung für das IT-Band, die ich nun den tausenden Zuschauern am Streckenrand vorturne.
Nach einigen Sekunden versuche ich weiter zu laufen. Das Knie tut immer noch weh, aber es sind nur noch verdammte 900 Meter. Die schaffe ich jetzt auch noch. Zähne zusammenbeißen.

Die einzige nennenswerte Steigung auf der gesamten Strecke ist die Brücke, die zur Zielgeraden führt. 400 Meter vor dem Ziel tut das ganz besonders gut.

Dann geht es auf die Zielgerade, die irgendwie der unspektakulärste Teil der Strecke ist, da hier auch keine Zuschauer zugelassen sind.
Dann habe ich es geschafft. Ich gehe glücklich über die Ziellinie. 2:53:37 steht auf meiner Garmin. Ich bin happy. Minimalziel erreicht. Die Berlin Qualifikation habe ich im Sack.

Chicago Marathon 2024 Finishline

Post Race

Ich stakse durch den Post-Race Bereich. Meine Beine und Knie schmerzen.
Ich bekomme meine Medaille und eine Rettungsdecke. Wenn man sich nicht mehr bewegt, ist es doch ganz schön kalt.
Ein paar Meter weiter gibt es eine Flasche stilles Wasser und ein Bier mit Alkohol. Ich hätte ja lieber ein Sprudel und eine Coke gehabt, aber die gab es leider nicht.

Ich hole meinen After-Race-Beutel und ziehe mir schnell warme Sachen an, da ich mittlerweile etwas am Zittern bin.
Dann setze ich mich eingemummelt auf eine Parkbank am Buckingham Fountain, nippe genüsslich an meinem Bier und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Dabei beobachte ich die anderen LäuferInnen, die gerade ihren Marathon beendet haben und ähnlich lädiert ausschauen wie ich.

Chicago Marathon 2024 Buckingham Fountain

Freibier beim Chicago Marathon

Ich passe unsere neuen Bekannten ab und auch Michelle kommt wenig später.
Zu viert begeben wir uns zur Post-Race Party auf dem Butler Field. Auf der riesigen Wiese finden sich ZuschauerInnen und LäuferInnen zusammen, es gibt diverse Stände und Live-Entertainment.
Wir bekommen eine wirklich winzige Portion Mac’n’Cheese und noch ein weiteres Vollbier. Alkoholfreies Bier ist in den USA noch nicht so richtig angekommen. Zwei Bier nach einem Marathon schlagen bei mir direkt ein und Müdigkeit zieht auf.
Was auch aufzieht, sind dunkle Wolken am Horizont. Der aufkommende Wind kündigt Regen an und wir machen uns schleunigst auf den Heimweg. Mit den ersten Regentropfen erreichen wir die Metro und wenig später unser Hotel, wo erstmal ein Power-Nap angesagt ist.

Chicago Marathon 2024 Michelle

Abends gibt es dann endlich die berühmte Chicago Deep Dish Pizza, die uns nicht so wirklich zu überzeugen weiß, aber immerhin ganz schön satt macht.
Danach treffen wir uns noch mit der Incylence-Crew im Hardrock Cafe, wo es für alle Marathon Finisher ein kostenloses Bier gibt. Natürlich mit Alkohol.
Dafür, dass Alkohol in den USA so merkwürdig gehändelt wird, gibt es beim Chicago Marathon erstaunlich viel davon kostenlos.

Ausklang

Die letzten beiden Tage, die uns noch in Chicago verbleiben nutzen wir für ein bisschen Sightseeing. Ein Besuch der Aussichtsplattformen auf einem der Wolkenkratzer sparen wir uns. Stattdessen machen wir eine Bootstour durch die Kanäle Chicagos, bei der es die Hochhäuser nochmal aus einer anderen Perspektive zu sehen gibt.

Chicago Marathon 2024 60 Bootstour

Ich laufe sogar noch eine kurze Runde zum North Avenue Beach Pier, von dem aus man eine tolle Aussicht auf die Skyline hat.

Viel Zeit bleibt uns leider nicht und einige Dinge auf unserer Todo-Liste für Chicago bleiben offen. Doch nach dieser ereignisreichen Saison sind nun alle Urlaubstage aufgebraucht und wir müssen zurück nach Hause.

Wir hatten wirklich Glück mit dem Wetter, denn nun ist es ziemlich ungemütlich in der Stadt. Das Thermometer ist deutlich gefallen und es regnet bei nur noch 6° C. Da fällt der Abschied dann nicht ganz so schwer.

Chicago Marathon 2024 61 North Avenue Beach Pier

Last Words zum Chicago Marathon

Dafür, dass der Chicago Marathon mich zu Beginn so wenig gereizt hat, muss ich nachträglich doch sagen, dass er mich positiv überrascht hat. Auch wenn man ganz klar sagen muss, dass letztlich das Label des Marathon Major der Unique Selling Point von Chicago ist.

Eigentlich hat mich aber vor allem die Stadt Chicago allgemein sehr positiv überrascht. Ich hatte die Stadt so gar nicht auf dem Zettel. Dabei ist Chicago wirklich cool. Ein bisschen wie das kleine New York. Die Wege sind hier deutlich kürzer als in NYC. Alles ist ein bisschen kleiner und netter.

Einziger Wermutstropfen sind die Hotelpreise am Marathon-Wochenende. Diese sind wirklich brutal und eigentlich kaum zu rechtfertigen, aber das muss jeder selbst entscheiden, ob es einem das Wert ist.

Ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass es am Ende doch noch mit dem Chicago Marathon geklappt hat und ich mir nächstes Jahr in Tokio meine Six Star Medal abholen kann.

Chicago Marathon 2024 91 Medallie

Strava Aktivität zu diesem Rennen

Infos zum Chicago Marathon auf der Veranstalter Webseite