Alpe d’Huez – Bei diesem Namen schlagen die Herzen aller Radsportfans höher. Einer der berühmtesten Anstiege der Tour de France. 21 Kehren, 13,8 Kilometer, 1090 Höhenmeter. Eine ikonische Radstrecke.
Dieser Mythos bildet den Abschluss der Radstrecke des Alpe d’Huez Triathlon.
Aufgrund der epischen Radstrecke ist der Alpe d’Huez Triathlon nicht weniger legendär und steht wohl bei vielen Triathleten weltweit auf der Bucket List. So auch bei mir.
Schon seit einigen Jahren will ich bei diesem Rennen starten, doch es hat nie in den Kalender gepasst. Doch jetzt sollte es endlich soweit sein. Ich startete beim Alpe d’Huez Triathlon auf der “L” Distanz.
2200 Meter schwimmen im kristallklaren Stausee Lac du Verney, in dem außerhalb des Rennens das Schwimmen verboten ist. 118 Kilometer, 3200 Höhenmeter, drei Pässe und der Anstieg nach Alpe d’Huez auf dem Rad und zum Abschluss ein Lauf über 20 Kilometer mit weiteren knapp 400 Höhenmetern.
Die Distanz entspricht zwar auf dem Papier keiner Langdistanz, aber man sollte sich davon nicht täuschen lassen. Das “L” ist nicht ganz ungerechtfertigt.
Michelle hatte sich für das “M” Rennen angemeldet, welches über 1200 Meter Schwimmen, 28 Kilometer Rad inklusive dem Anstieg nach Alpe d’Huez und 6,5 Kilometer Laufen ausgetragen wird.
Vive la France
Bereits am Samstagmorgen geht es für uns Richtung Frankreich. Das erste Etappenziel ist Vizille. Eine schöne Kleinstadt mit einem prächtigen Schloss samt gigantischem Park. Als wir ankommen, brennt die Sonne und es stehen 35°C auf dem Thermometer. Um uns etwas abzukühlen, beschlossen wir, das Schwimmtraining einen Tag vorzuverlegen und fuhren zum nahe gelegenen Grand Lac de Laffrey, um dort eine dreiviertel Stunde zu schwimmen. Ein herrlicher See in malerischer Kulisse.
Ein Regentag
Am nächsten Morgen wollte ich eigentlich den Col de Chamrousse erklimmen, aber ausgerechnet für diesen Tag waren Gewitter und Dauerregen gemeldet. Nach einer stürmischen Nacht erwartete uns am Morgen mit nur noch 15°C ein regelrechter Temperatursturz. Diese ständigen Wetterwechsel machen mir echt zu schaffen.
Als Alternative fuhren wir dann mit dem Auto nach Chamrousse, um dort eine Laufeinheit in der Höhe zu absolvieren. Die Höhenluft war dabei am Ende gar nicht das Problem. Doch die steilen Rampen im Skigebiet und das ständige Auf und Ab haben meine Beine ordentlich demoliert. Ich laufe ja sonst immer nur flache Strecken und bin so etwas überhaupt nicht gewohnt. Der darauffolgende Muskelkater sollte mich noch bis zum Alpe d’Huez Triathlon begleiten.
Aber zumindest hatten wir Glück mit dem Wetter und haben genau das Zeitfenster getroffen, in dem es für eine Stunde trocken blieb. Doch kaum waren wir zurück am Auto, zog dichter Nebel auf und innerhalb von fünf Minuten fiel die Sicht unter 20 Meter. Im Schritttempo ging es wieder zurück ins Tal.
Kultur & Restday
Am nächsten Tag war das Wetter wie ausgewechselt. Die Temperaturen kletterten wieder Richtung 30°C und am Himmel waren nur noch ein paar Schleierwolken. Da freut sich der Kreislauf.
Nach einer kurzen Radeinheit bummelten wir den Rest des Tages durch den Schlosspark und schauten uns auch noch das Museum der Französischen Revolution an, dass sich im Schloss befindet. Ein bisschen Kultur schadet nie und der Eintritt war sogar frei.
Der folgende Dienstag war für mich ein Ruhetag. Wir entschlossen uns deshalb nochmal zum Grand Lac de Laffrey zu fahren und einen Beach Day einzulegen.
Da der See ohne Neo doch ziemlich kalt war, nahm ich mit einem kurzen Dip vorlieb und verbrachte den Rest des Tages mit Faulenzen und Lesen.
Der Tag vor dem Alpe d’Huez Triathlon
Am nächsten Morgen ging es dann weiter nach Allemond, einem kleinen Ort am Fuße von Alpe d’Huez, zu unserer zweiten Unterkunft.
Von dort fuhren wir mit dem Auto direkt weiter nach Alpe d’Huez, um unsere Startunterlagen abzuholen. Als wir in die Steigung einfahren, müssen wir erstmal schlucken. Das ist schon ganz schön steil. Die Strecke zieht sich schon mit dem Auto sehr und es dauert gute 30 Minuten bis wir oben sind. Der alte Volvo muss ganz schön schnaufen.
Wir holen unsere Startunterlagen ab. Wir erhalten zudem ein wirklich schönes Baumwollshirt und ich zusätzlich noch einen Rucksack, der auch ziemlich cool ist. Für das relativ schmale Startgeld ist das wirklich erste Sahne.
Zur Aktivierung wollen wir einen Teil der Laufstrecke ablaufen und uns das Terrain einmal anschauen. Es geht über einen geschotterten Weg relativ wellig los. Auf einer asphaltierten Straße angekommen, geht es dann ziemlich steil nach oben. In der wolkenlosen Hitze schon ziemlich anstrengend.
Da die original Route über den Flugplatz nur am Renntag freigegeben ist, laufen wir die Straße weiter, die sich langsam wieder hinab ins Ort schlängelt. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Aber am Renntag werde ich eines Besseren belehrt, denn es ist in Wirklichkeit schlimmer.
Bike Check-In
Die Logistik ist bei diesem Rennen etwas knifflig, da zwischen den beiden Wechselzonen ja der Anstieg nach Alpe d’Huez liegt.
Ich habe mich für die Shuttlebus Variante entschieden. Das heißt, dass wir am Rennmorgen mit dem Auto nach Alpe d’Huez fahren. Dort kann ich meine Laufsachen in der Wechselzone deponieren und dann mit dem Shuttlebus wieder nach unten zum Schwimmstart fahren.
Dazu muss ich allerdings mein Rad bereits am Vortag einchecken.
So ging es also noch zum Bike-Check-In zum Stausee. Der Check-In ging fix und ich stellte mein Rad an seinen Platz.
Für mich war von Anfang an klar, dass dies mein erster Triathlon wird, den ich mit dem Rennrad fahren werde. Bergauf fahre ich sowieso Oberlenker und in den Abfahrten traue ich mich wahrscheinlich eher nicht, auf den Aufliegern zu fahren. Also macht das Zeitrad für mich absolut keinen Sinn.
Ich bin dann doch erstaunt, wie viele Zeiträder, zum Teil sogar mit Scheibenrad, in der Wechselzone stehen.
Wir schauen uns noch die Laufwege an und als wir die Rampe sehen, die in den See führt, sind wir etwas schockiert. Nicht nur die Rad- und Laufstrecke bei diesem Rennen sind steil.
Die Rampe erinnert eher an eine Skisprungschanze oder an eine Wasserrutsche.
Ich bin sehr gespannt, wie sich das morgen darstellt, wenn man dieses Gefälle in den See rennt und vor allem, wie man auf dem nassen Teppich wieder herauskommt.
Der Tag endet mit den obligatorischen Nudeln mit Tomatensoße, bevor früh das Licht aus geht.
Alpe d’Huez Triathlon
Um 4:45 Uhr klingelt der Wecker. Ich habe ganz gut geschlafen. Doch durch die ungewohnt weichen Matratzen in den letzten Tagen habe ich ziemliche Rückenschmerzen.
Ich mache Kaffee, esse zwei Maurten Solid und creme mich mit Sonnencreme ein. Das Übliche eben.
Eine Stunde später sitzen wir im Auto und fahren wieder die Serpentinenstraße nach Alpe d’Huez hinauf. Ein Dreiviertelstunde später rollen wir auf den Parkplatz.
Ich stelle meine Laufschuhe an ihren Platz und dann gehen wir zu einem der bereitstehenden Busse. Diese brauchen für den Weg nach unten natürlich etwas länger und so sind wir gegen 8 Uhr an der Wechselzone am Lac du Verney.
Alles ganz entspannt.
Die Wechselzone gleicht einem Ameisenhaufen. Es herrscht bereits reges Treiben. Viele sind mit dem Rad von Alpe d’Huez herunter zur Wechselzone gefahren.
Nachdem ich die letzten Handgriffe am Rad erledigt habe, schlüpfe ich in meinen Neo und begebe mich in den Startblock für „difficile“. Ich stehe relativ weit vorne und frage mich, ob ich nicht etwas zu weit vorne bin. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Schwimmen im Lac du Verney
Dann geht es auch schon los. Die Profi-Frauen und Männer starten und direkt im Anschluss geht es für die Age-Grouper im Gänsemarsch vorsichtig die steile Rampe hinab ins Wasser. Ich bin beruhigt, dass es keiner wagt, die Rampe hinab zu rennen. Da wäre der Massensturz quasi vorprogrammiert.
Doch die Zeitnahme beginnt bereits oben an der Rampe und ich schätze, dass ich für die zehn Meter bis ins Wasser sicherlich eine halbe Minute gebraucht habe.
Ein beherzter Sprung in den See und es geht los. Das türkise Wasser ist kalt, aber herrlich.
Auf der gesamten Strecke gibt es nur zwei Bojen, nämlich die an den Wendepunkten. Diese sind natürlich in einem Kilometer Entfernung nicht zu sehen. So schwimme ich einfach dem Rest der Meute hinterher.
Irgendwann taucht vor uns die linke der beiden Bojen auf. Ich bin etwas verwirrt. Offenbar schwimmen wir mit dem Uhrzeigersinn. Das hatte ich irgendwie nicht erwartet. Vielleicht hätte ich mir das Racebook aufmerksamer durchlesen sollen.
Dann sind wir auch schon auf dem Rückweg und die Rampe mit dem blauen Teppich taucht vor uns auf. Ich hatte ja im Vorfeld einige Bedenken, dort auf dem nassen Teppich wieder hochzukommen, aber es ging dann doch erstaunlich gut.
36:02 Minuten sind exakt die Zeit, die ich mir vorgenommen habe. Wenn man die Rampe raus rechnet, sogar deutlich besser. Ein guter Start in den Tag.
118 Kilometer nach Alpe d’Huez
Ich schnappe mir mein Rennrad und dann geht es direkt nach der Wechselzone die erste Steigung zur Landstraße hinauf.
Auf dieser führt der Weg erstmal eine ganze Weile flach am Stausee entlang, über die Staumauer hinab ins Tal und dann entlang des Flusses Romanche. Die Landschaft ist spektakulär.
Auf den ersten 25 Kilometern lege ich mich auf die montierten Auflieger und es geht mit Highspeed Richtung Col de la Morte, dem ersten Pass der Strecke.
An der ersten Verpflegungsstation staune ich nicht schlecht, als ich mir die erste Wasserflasche schnappe. Es werden 500 ml Flaschen ausgegeben und die sind noch nicht mal richtig voll. Ich habe nur einen Flaschenhalter frei für Wasser und ärgere mich, dass ich nicht noch einen weiteren montiert habe. Das könnte ein wenig knapp werden, denn das Wasser dient nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Kühlen.
Col de la Morte (1368 m)
Es geht den Col de la Morte nach Alpe du Grand Serre hinauf. Ich halte mich an meine Wattwerte und werde permanent überholt. Das bin ich so nicht gewohnt, normalerweise überhole ich auf dem Rad die langsameren Schwimmer. Doch heute überhole ich eigentlich niemanden. Aber ich versuche ruhig zu bleiben. Der Tag ist noch lang und das Schlimmste kommt ja zum Schluß.
Aber ich merke schon, dass ich den Bergziegen nicht viel entgegensetzen kann. Kein Wunder, bin ich doch noch nie auch nur annähernd solch große Steigungen gefahren. Bei uns in der Gegend finden sich solche Routen nicht und sind ja im normalen Triathlon auch eher unüblich. Selbst der Ironman Lanzarote erscheint mir gegen das Streckenprofil des Alpe d’Huez Triathlon als eher flach.
Ich starre auf die Wattanzeige meines Garmin und versuche die Fahrt durch den kühlen Wald zu genießen, denn ich weiß, dass ich im Verlauf des Rennens nicht mehr allzu viel Schatten erwarten kann.
Nach 15 Kilometern sind die ersten 1000 Höhenmeter bewältigt. Wir fahren erstmal wieder nach unten, bevor es von Valette aus kurz und knackig zum Col de Malissol hinauf geht.
Zwischenzeitlich ist es sehr warm geworden, in der Sonne sogar schon richtig heiß und Schatten wird rar.
Es geht wellig weiter durch eine atemberaubende Landschaft. Grüne Berghänge, gigantische Wasserfälle, schneebedeckte Bergkuppen und spektakuläre Täler. Einfach unglaublich schön.
Col d’Ornon (1371 m)
Nach 77 Kilometern wartet der Col d’Ornon auf uns. Die Auffahrt ist gar nicht so besonders steil, aber sehr lang und zieht sich eine gefühlte Ewigkeit.
Auf der fast schattenlosen Strecke brennt der Asphalt.
Gut drei Stunden dauert das Rennen bereits an und ich merke langsam, dass die Muskulatur meiner Beine brennt und es mir zunehmend schwerer fällt, im Tritt zu bleiben. Jetzt schon.
Ich bekomme etwas Panik. Wenn ich an diesem, in Anführungszeichen, sanften Anstieg schon Probleme bekomme, wie soll ich es denn da noch nach Alpe d’Huez hoch schaffen? Mir kommen ernste Zweifel, ob ich das Ziel dieses Rennen überhaupt erreichen kann.
Ich versuche die negativen Gedanken beiseite zu schieben und einfach weiter zu treten.
Ich sehne jede Kilometermarkierung herbei, die die restliche Strecke und die noch verbleibenden Höhenmeter bis zum Gipfel anzeigt. Doch dieser eine Kilometer zwischen den Markierungen dauert immer unendlich lang.
Mittlerweile ist die Strecke sehr einsam geworden. Das Teilnehmerfeld ist komplett zerfallen. Jeder kämpft für sich alleine.
Ich bin fix und fertig. Meine Rückenschmerzen sind leider auch immer schlimmer geworden und ich muss immer wieder in den Wiegetritt gehen, um die Muskulatur zumindest kurz zu lockern.
Ich versuche mich mit dem bisschen Wasser, das ich noch habe, zu kühlen. Die Sonne brennt gnadenlos.
Meine Wattwerte sind im Keller. Ich bin richtig platt. Mit Graus denke ich an das, was da noch auf mich wartet.
Richtung Alpe d’Huez
Endlich oben angekommen, genieße ich die folgende Abfahrt.
Da die gesamte Strecke nicht für den Verkehr gesperrt ist und ich kein besonders risikofreudiger Fahrer bin, lasse ich hier zwar auch einiges an Zeit liegen, aber lieber kein Risiko. Manche Autofahrer nehmen doch relativ wenig Rücksicht auf das Rennen.
Ich bin einfach froh, dass ich mich mal für zehn Minuten ausruhen kann und das Rad quasi von alleine Richtung Tal rollt.
Dann ist Le Bourg-d’Oisans erreicht, der letzte Ort, bevor der eigentliche Spaß beginnt.
Hier gibt es noch einmal eine Verpflegungsstation. Ich schnappe mir zwei Flaschen Wasser. Eine schiebe ich in den Flaschenhalter, die andere giesse ich komplett über meinen Körper.
Runterkühlen so gut es noch geht, denn der Anstieg nach Alpe d’Huez liegt schattenlos in praller Sonne.
Alpe d’Huez (1870 m)
Als ich um die Kurve rolle und die fast senkrecht nach oben steigende Straße erblicke, bekomme ich Gänsehaut. Eine Mischung aus Angst, Ehrfurcht und Freude. Alpe d’Huez, du gegen mich!
Mein Ziel, nach etwa 3,5 Stunden am Fuß von Alpe d’Huez zu sein, habe ich um fast 20 Minuten verpasst. Mein nächstes Ziel, die Radstrecke nach 4:45 Stunden zu beenden, begrabe ich direkt am Fuß des Berges.
Den Anstieg innerhalb von einer Stunde zu schaffen, ist schon ohne die Belastung, die hinter mir liegt, ambitioniert. In meinem aktuellen Zustand aber absolut unrealistisch.
Für mich gilt es ab hier nur noch anzukommen. Irgendwie.
Gerade das erste Stück hat es in sich, ist es doch der steilste Teil der Strecke mit mehr als 10% Steigung. Deshalb bin ich froh, dass ich doch relativ gut durch die ersten vier Kehren komme. Die Kurve mit der Nummer 17 habe ich mir im Vorfeld gemerkt, denn danach wird es etwas flacher.
Für die Strecke und die Umgebung habe ich kaum noch Blicke übrig und starrte stur vor mich hin. So pedaliere ich auf dem kleinsten Ritzel den Berg nach oben. Meter für Meter.
Der Schweiß läuft mir in Strömen, doch zum Kühlen habe ich nicht mehr genug Wasser. Es gibt nur zwei Verpflegungsstationen auf dem Weg hinauf. Ich muss mit dem, was ich habe, haushalten.
Verlockend sind die kleinen Wasserfälle, die neben der Straße aus der Felswand sprudeln und mit kühlem Nass zum Anhalten verführen.
Doch ich habe ein letztes Ziel vor Augen: Ich will den Aufstieg bewältigen, ohne anzuhalten.
So widerstehe ich der Verlockung und strample weiter, was die müden Beine noch hergeben.
Dann erreiche ich La Garde und die nächste Verpflegung. Wasser!
Wieder nehme ich zwei Flaschen und gieße eine davon über mir aus. Die Abkühlung währt leider nur kurz.
Fanzone Huez
Der Weg nach oben zieht sich wie Kaugummi. Die Serpentinen nehmen kein Ende. Ich sehne mich danach, Huez zu erreichen, denn dort wartet Michelle auf mich, die mit der Seilbahn an die Strecke fahren wollte.
Endlich höre ich die Musik und das Getöse der Zuschauer. Die Fanzone in Huez ist nicht mehr weit.
Ich erreiche die letzte Verpflegungsstation vor dem Ziel und fahre dann durch die Cheering Zone von Huez.
Michelle wartet am Ortsausgang auf mich. Das gibt mir einen kleinen Motivationsschub. Aber es warten noch immer sechs Kehren bis zur Wechselzone.
Wie in Trance zähle ich Kurve um Kurve, doch die Zahlen auf den Kurvenmarkierungen werden nur langsam kleiner und die Abschnitte zwischen den Kurven immer länger.
Mein Rücken bringt mich langsam um.
Dann kommt endlich der Wintersportort Alpe d’Huez in Sicht. Doch am Ziel bin ich noch nicht, als mir in der letzten Kurve kurz schwarz vor Augen wird und mein Kreislauf Kapriolen schlägt.
Zum Glück nur ein kurzer Moment, der nach einigen Metern wieder vorüber ist.
Vom Ort selbst nehme ich nicht mehr viel wahr und rolle die letzten Meter in die Wechselzone. Ich habe es tatsächlich geschafft. Fast hätte Alpe d’Huez mich gebrochen.
Leider habe ich mit 5:01:47 auch mein Minimalziel von Sub5 auf dem Rad gerissen, aber aktuell bin ich einfach froh, dass ich überhaupt hier oben bin.
Trailrunning
Da es sich hier ja um den Alpe d’Huez Triathlon handelt, ist es mit der Radfahrt allerdings noch nicht erledigt. Ich muss ja auch noch ein bisschen laufen.
Drei Runden a 6,5 Kilometer und jeweils gut 120 Höhenmetern gilt es zu bewältigen. 120 Höhenmeter hat der Frankfurt Marathon nicht mal in Summe. Die Laufstrecke ist also nicht weniger fordernd als die Radstrecke.
Direkt nach dem Ausgang aus der Wechselzone wartet die erste von drei Verpflegungsstationen. Ich bleibe kurz stehen und fülle meine Flask mit Wasser, das ich mir auf dem Weg abwechselnd in den Mund und ins Gesicht spritze.
Es geht auf einem grob geschotterten Weg aus dem Ort und über einen schmalen Trail recht steil Richtung Wendepunkt. Die Sonne flirrt auf dem staubigen Weg.
In der Regel meide ich solches Terrain wie die Pest. Auf Grund äußerst instabiler Sprunggelenke laufe ich auf solchem Untergrund immer extreme Gefahr umzuknicken. Obwohl ich Trailrunning eigentlich super schön finde, mache ich wegen der Verletzungsgefahr einen großen Bogen darum und laufe deshalb fast ausschließlich auf flachen Straßen.
Das hat zur Folge, dass ich hier überhaupt nicht in mein Tempo finde. Ich muss mich sehr darauf konzentrieren, wo ich hintrete und das ständige Auf und Ab lässt mich keinen Rhythmus finden.
Den ersten Teil bin ich ja bereits im Training gelaufen, allerdings war der GPS-Track nicht ganz korrekt und der echte Wendepunkt befindet sich 800 Meter weiter den Weg hinauf. Eine nette Überraschung im Rennen.
Kühlen, Kühlen, Kühlen
Auf dem Rückweg vom Wendepunkt befindet sich ein kleiner Wasserfall. Ich nutze die Gelegenheit, bleibe kurz stehen und halte meine Mütze unter das kalte Wasser.
Einige hundert Meter weiter reichen Helfer Markierungspylonen, die sie mit eiskaltem Wasser gefüllt haben. Der eisige Schock ist herrlich, als ich den Inhalt über meinen Kopf leere.
Auf der nun folgenden Straße, die sich steil nach oben windet, verpufft die Kühlung allerdings innerhalb kürzester Zeit. Beim Trainingslauf kam es mir hier gar nicht so steil vor. Jetzt habe ich Mühe, im Laufschritt zu bleiben.
Dann folgt der Abschnitt über den Flughafen, der normalerweise gesperrt ist. Ich wurde bereits vorgewarnt, doch als ich auf die Landebahn laufe und sich das Gefälle von bis zu 13° vor mir auftut, stöhne ich auf.
500 Metern mit einem solchen Gefälle zu laufen ist einfach brutal, denn ab einer gewissen Geschwindigkeit muss man einfach abbremsen, sonst überholen dich irgendwann deine Beine und du fliegst auf der Nase ins Tal.
Doch dieses Bremsen ist eine riesige Belastung für Oberschenkel und Knie. Ich versuche den Impact etwas abzumildern, indem ich leichte Zick-Zack-Linien laufe. Es macht es nur wenig besser.
Die Landebahn ist zwar spektakulär, aber ich wäre lieber, wie im Training, die sich sanfter in den Ort schlängelnde Straße weiter gelaufen.
Am Ende der Flugbahn geht es einen sandigen Weg vorbei am Minigolfplatz zurück auf den Schotterweg zurück Richtung Wechselzone.
Doch diese erreicht man nicht, ohne noch einmal eine kurze, aber knackige Steigung auf der Straße hinauf zu laufen, nur um die gleiche Straße auf der anderen Straßenseite wieder hinab zu laufen. Es ist ja nicht so, dass es hier oben nicht auch ein paar Meter flachen Asphalt gibt, aber die wurden bei der Streckenplanung geflissentlich ignoriert.
Dann ist die erste Runde endlich geschafft. Folgen noch zwei. Juchhu!
Nur noch zwei Runden
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass auch auf der Laufstrecke meine Pace weit von meinen Erwartungen entfernt liegt. Ich habe im Vorfeld tatsächlich nicht mit einer Strecke gerechnet, die mir so gar nicht liegt und auf der es keinen Abschnitt gibt, auf dem ich mein gewohntes Tempo laufen kann.
Michelle wartet kurz vor der zweiten Verpflegungsstelle auf mich, die an der Kreuzung Richtung Wendepunkt liegt.
Sie sagt mir durch, dass ich Sechster in meiner Altersklasse bin, aber fünf Minuten auf den vor mir Platzierten habe.
Eigentlich ist Laufen meine stärkste Disziplin, aber eben nicht im Gelände. Das Podium ist heute unerreichbar, das war mir aber eigentlich schon nach dem Radfahren klar und so begnüge ich mich damit, das Rennen einfach sauber zu Ende zu bringen.
An den Verpflegungsstellen fülle ich jedesmal meine Flask und nutze das Wasser, um mich regelmäßig zu kühlen. Zusätzlich gönne ich mir eine Dusche an der zweiten Station, mache meine Mütze am Wasserfall nass und nehme dankbar die Eiswasser-Pylonen, um sie mir über den Kopf zu giessen.
Zweimal verfluche ich noch die Landebahn und freue mich dann auf den Zieleinlauf, als es ein letztes Mal über die Schotterpiste Richtung Wechselzone geht.
Endlich im Ziel
Im Stadion des Kunstrasenplatzes geht es auf die Zielgerade. Ich schließe den Einteiler und recke die geballte Faust in die Luft. Ich habe es geschafft.
Das war ein verdammt hartes Stück Arbeit.
Im Ziel bekomme ich meine Medaille und ein weißes Finisher-Poloshirt.
Ich schnappe mir drei Becher Pepsi und torkele auf Michelle zu, die auf mich wartet. Ich lasse mich auf einen Sonnenstuhl fallen, der im Schatten steht und fange direkt an zu frieren. Verrückt, den ganzen Tag ist der Körper am kochen und kaum im Ziel bin ich am zittern.
Ich rücke den Stuhl in die Sonne, streife den nassen Einteiler herunter und ziehe das trockene Poloshirt an. Schon besser. Zufrieden trinke ich meine Pepsis und teile mit Michelle die Erlebnisse der letzten gut sieben Stunden, 7:19:07 um genau zu sein.
Fazit zum Alpe d’Huez Triathlon
Was für ein geiles Rennen. Es war hart. Viel härter als ich erwartet habe. Da muss ich mir ehrlich eingestehen, dass ich die Strecke deutlich unterschätzt habe.
Dreimal hintereinander für etwa eine Stunde konstant bergauf zu fahren, habe ich noch nie gemacht. Da fehlen mir sicherlich ein paar Höhenmeter im Training, um hier weiter vorne zu landen.
Dazu dann noch ein Lauf, der schon sehr trailig ist und ein paar heftige Rampen hat, plus das krasse Gefälle die Landebahn hinab. Auch hier sind Fähigkeiten gefragt, die nicht zu meinen Stärken gehören.
So muss ich in Summe sagen, dass meine Ambitionen im Vorfeld etwas zu hoch gesteckt waren.
Der Alpe d’Huez Triathlon ist ein Rennen, das nicht ohne Grund so einen hervorragenden Ruf genießt, denn nicht nur die Strecke ist erste Güte.
Die Organisation ist makellos. Das Gesamtpaket lässt keine Wünsche offen, wenn man vielleicht von der fehlenden Dusche im Zielbereich absieht. Aber das Preis-Leistungsverhältnis ist absolut top.
Die Strecke ist bis auf einen kleinen Abschnitt nicht für den Verkehr gesperrt, aber das empfand ich auf der Radstrecke kaum als störend. Lediglich die Autos auf dem Straßenabschnitt der Laufstrecke haben mich etwas genervt.
Ich kann mir gut vorstellen, hier nochmal zu starten, aber ich glaube, dann würde ich die “M” Distanz bevorzugen, denn Alpe d’Huez und eine Runde Laufen reichen vollkommen.
Auf der Homepage des Alpe d’Huez Triathlon heißt es:
„The Alpe d’Huez Triathlon hits different. Whatever your level of preparation, whatever your goal, you are in for a unique experience that will take you into unknown territory, beyond your limits. Enjoy the moment and remember: be patient, the race is long!“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Strava Aktivitäten zum Alpe d’Huez Triathlon: swim – bike – run
Infos zum Alpe d’Huez Triathlon auf der Veranstalter Webseite