Wenn ich ein perfektes Triathlon Wochenende beschreiben sollte, dann könnte der Bericht in etwa so aussehen, wie der nun folgende zum Hamburg Wasser Triathlon 2022.
Alles fing damit an, dass ich von Erdinger Alkoholfrei einen Freistart für das Rennen über die Olympische Distanz in der Hansestadt erhalten habe.
Ich war anfangs etwas hin- und hergerissen, wegen der langen Anreise nach Hamburg, vor allem im Verhältnis von Reise- und Wettkampfzeit, aber früher sind wir fast jedes zweite Wochenende zum Fußball nach Hamburg gefahren, da kann man das für so ein Rennen schon mal machen.
Hamburg ist immer eine Reise Wert
Bereits 2015 bin ich schon einmal beim Hamburg Wasser Triathlon gestartet, der da aber noch ITU Hamburg hies. Damals konnte ich den Wettkampf nicht wirklich genießen, denn Hamburg zeigte sich da von seiner unschönen Seite. Ich sage nur: Hamburg, 8°, Regen.
Das war eher kein Spaß sich durchgefroren und bei strömenden Regen über die Strecke zu quälen.
Doch die spektakuläre Strecke hat eine zweite Chance verdient. Ein Triathlon im Herzen einer europäischen Metropole ist schon etwas besonderes und zu Hamburg habe ich ja alleine schon durch meine Vereinszugehörigkeit eine spezielle Bindung.
Schwimmen in der Binnenalster mit dem Ausstieg am Jungfernstieg, die Radstrecke über die Reeperbahn und vorbei an Fischmarkt und Landungsbrücken und der Zieleinlauf am Rathausmarkt – das ist schon eine tolle Kulisse für so ein Sportevent.
Es ist ein langer Weg in den Norden
Da Michelle an diesem Wochenende irgendwo in Österreich mit der R/O/C Crew einen Berg hochrennen wollte, machte ich mich am Freitag Nachmittag alleine mit Sack und Pack auf den Weg nach Hamburg.
Ich hatte verdrängt, wie ätzend die Fahrt dorthin ist. Erst aufgrund einer Autobahnsperrung durch die Wiesbadener Innenstadt und dann über die A7, die gefühlt zu 80% aus Baustellen besteht.
Als ich dann nach gut 6 Stunden endlich die Kräne im Hafen von Hamburg erblickte, waren die Strapazen aber direkt vergessen – Hamburg, die zweite Heimat. Schön wieder hier zu sein und ich freute mich schon sehr auf die vielen Menschen, die ich Dank Corona jahrelang nicht gesehen habe.
Der Tag der Sprinter
Am Samstagmorgen ging es dann nach dem Frühstück direkt in die City zur Triathlon Messe am Jungfernstieg. Diese war deutlich übersichtlicher als ich das in Erinnerung hatte. Mein Coach Mättz hatte einen Stand mit seinem Hamburger Triathlon Laden running green. Auch ihn habe ich seit über 3 Jahren nicht mehr persönlich getroffen und so gab es ein herzliches Wiedersehen. Es ist so schön, wenn man Freunde nach langer Zeit wieder trifft und es sich so anfühlt als wäre kaum ein Tag vergangen.
Wir verbrachten die Zeit mit quatschen während die Sprint Distanz des Hamburg Wasser Triathlon in vollem Gange war. Dann noch schnell die Startunterlagen holen, um pünktlich zum Beginn des Elite Rennen der Frauen am Start zu sein.
WTCS Rennen
Ein Goodie, das der Hamburg Wasser Triathlon bietet, ist, dass zeitgleich die Rennen der World Triathlon Championship Series ausgetragen werden.
So kommt man in den Genuß hautnah die Weltspitze des Kurzdistanz Triathlon zu erleben. Ein so dichtes Spitzenfeld bekommt man auf der Langdistanz eigentlich nur auf Hawaii zu sehen.
Das Rennformat ist wirklich sehr sehenswert und die Location in der City ist optimal, um als Zuschauer das ganze Rennen zu verfolgen. Es hat einfach Spaß gemacht, bei bestem Wetter an der Strecke zu stehen, während die Weltelite nur Zentimeter entfernt an einem vorbeifliegt.
Ich will euch jetzt nicht mit Details zu den Rennen langweilen, denn die kann man in den einschlägigen Fachmedien nachlesen.
Aber falls ihr mal die Gelegenheit habt, dann schaut euch so ein Rennen live an. Das ist wirklich großer Sport.
Nachdem auch das Männer Rennen beendet ist, geht es, mit einem leichten Sonnenbrand und ziemlich erschöpft, auf die Couch, um mich zumindest noch ein klein wenig vor dem Wettkampf zu erholen.
Hamburg Wasser Triathlon, die Olympische!
Ich wache eine Stunde vor dem Wecker auf. Es gibt einen Kaffee und zwei Toast mit Honig. Dann schnappe ich mir meine Sachen und mein Rad und es geht mit der Bahn in die Stadt. Es ist gar nicht mal so warm und ich habe gar keine große Lust auf Schwimmen. Der Gedanke lässt mich etwas frösteln jetzt ins Wasser zu springen. Die ersten Startgruppen, die bereits ab 6:30 Uhr auf die Strecke gehen, beneide ich nicht und ich bin sehr froh, dass ich erst um 9 Uhr starte.
Am Jungfernstieg angekommen geht es direkt in die Wechselzone am Ballindamm, die ja auch vom Ironman bekannt ist. Die angeblich längste Wechselzone der Welt, wobei die Wechselzone vom Frankfurt City Triathlon deutlich länger ist.
In den jeweiligen Startblöcken ist freie Platzwahl. Leider ist mein Startblock am gegenüberliegenden Ende des Ausgangs. Ich muss also zweimal mit dem Rad durch die ganze Wechselzone laufen. Nicht unbedingt ein Vorteil.
Das Einrichten der Wechselzone geht schnell und so habe ich eine Stunde Zeit bis zum Start. Die Sonne kommt kurz raus und es wird direkt warm.
Auf dem Weg zurück zum Start treffe ich Astrid und Matthias. Wir quatschen kurz und währenddessen kommt wieder Wind auf und Wolken verdecken die Sonne. Mir ist direkt wieder kalt. Vielleicht hätte ich die Radjacke doch in der Wechselzone platzieren sollen? Matthias ist so nett und nimmt die Jacke mit, um sie für mich an meinem Platz zu deponieren – ich ziehe sie später im Rennen natürlich nicht an.
Jetzt sitzen wir am Start und warten. Ich friere etwas. Meine Lust auf Schwimmen liegt so bei Null. Irgendwann zwänge ich mich in den Neo und selbst in dem Ding ist mir noch ein bisschen kalt.
Dann wird es Zeit den After-Race-Beutel abzugeben und in den Vorstartbereich zu gehen. Dort machen 100 Menschen in Neopren und Badehose ein Aerobic-Aufwärmprogramm zu Boney M. auf doppelter Geschwindigkeit. Sehr skuril.
1500m Binnenalster
Die meisten springen von der Kaimauer in die Alster. Topmotiviert wie ich bin, nehme ich eine der Leitern und steige langsam ins Wasser. Ich bin jetzt in dem Alter, wo man das so macht, denke ich. Bloß nicht zuviel Elan am frühen Morgen.
Als ich so mit den anderen im Wasser treibe und sich die Sonne wieder zeigt, kommt auch meine Laune hervor. Die Kulisse ist schon richtig schön und langsam habe ich Bock.
Ich visiere die erste Boje an und als der Startschuss ertönt, lasse ich die Arme rotieren.
Man hat super viel Platz auf der Strecke. Leider sind die Startgruppen vollkommen willkürlich zusammengewürfelt und das Leistungsspektrum ist enorm unterschiedlich. Ich schwimme quasi alleine, was ja auch nicht schlecht ist. Bei diesem Wettkampf ist die Uhr der Gegner, ein direkter Vergleich zu anderen Athleten ist leider nicht gegeben. Eigentlich mag ich es ja lieber, wenn es einen direkten Leistungsvergleich gibt und man sich mit anderen battlen kann.
Ich finde einen guten Rhythmus und habe sogar richtig Spaß beim Schwimmen. Auch finde ich die Alster gar nicht so eklig, wie immer alle sagen. Man sieht zwar die Hand vor Augen nicht, aber das bin ich vom Rhein schon gewohnt. Das Wasser macht auf jeden Fall keinen übermäßig schmutzigen Eindruck.
Dann geht es auch schon unter der Brücke zum Jungfernstieg hindurch. Im Dunkeln unter der Brücke muss ich etwas aufpassen, dass ich nicht aus Versehen in einen Brustschwimmer aus der Startgruppe vor mir schwimme.
Die letzten Meter zum Schwimmausstieg sind von einer Menge Menschen gesäumt, die die Schwimmer anfeuern.
Habe ich schon erwähnt, dass dieses Rennen eine tolle Kulisse hat?
Es geht einige Stufen hinauf und dann gute 500 Meter in Richtung Wechselzone. Genug Strecke um sich schonmal aus dem Neo zu pellen.
Ballern!
Ich laufe zur Wechselzone, schnappe mir mein Rad und mache mich auf den langen Weg durch die Wechselzone. Endlich am Ende angekommen springe ich auf und es geht los, ab durch den Tunnel am Hauptbahnhof in Richtung Landungsbrücken, dann zur Reeperbahn und bis zum Wendepunkt in Altona.
Der kräftige und böige Wind macht mir am Anfang ziemlich zu schaffen, da mir die Böen immer wieder den Lenker verreissen. Gerade beim Passieren von Querstraßen muss man doch ziemlich aufpassen. Und auf der Reeperbahn ist der Wind so stark, dass einem der Müll um die Ohren fliegt.
Ich brauche die erste Runde um die Sicherheit auf dem Rad zu finden, aber ab der zweiten Runde läuft es und macht richtig Spaß. Ich fahre eigentlich nur auf der linken Spur um zu überholen und passiere so hunderte Teilnehmer, was zum Teil doch etwas nervig ist, da einige auch mal in vierter Reihe fahren und man schon ziemlich aufpassen und sich auch mal den Weg frei brüllen muss.
Ein Wettkampfrichter vor mir ist auch sehr damit beschäftigt die Leute zu ermahnen rechts zu fahren. Dummerweise blockt er mich dabei und ich muss mich irgendwie an ihm vorbei quetschen. Doch dafür, dass hier so viele Menschen auf der Strecke sind und viele davon offensichtlich noch keine großen Erfahrungen im Triathlon haben, lässt es sich doch recht gut fahren. Der Hamburg Wasser Triathlon ist bekanntermaßen eine Jedermann- und Rookie-Veranstaltung, da darf man sich also nicht wundern, wenn mal jemand auf einem Citybike sitzt und nicht so genau weiß, wie man sich im Wettkampf zu verhalten hat.
So baller ich einsam meine drei Runden mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Investiere sogar ein paar Watt mehr, als mir mein Trainer vorgegeben hat und genieße den Ritt durch Hamburg. Am Ende der dritten Runde finde ich es richtig schade, dass ich nicht noch ein paar Runden mehr fahren kann, da es gerade richtig Spaß macht. Wann kann man schon mal auf so breiten und vollgesperrten Straßen mit dem Rad mit Vollgas durch die Stadt fahren?
Vor der letzten Kurve zur Wechselzone steige ich aus den Radschuhen und mache mich zum Abstieg bereit.
Ich bin dann doch ziemlich überrascht, dass die Abstiegslinie direkt hinter der Kurve ist. Ich schaffe es nicht mehr rechtzeitig zu bremsen und komme erst einen Meter hinter der Linie zum Halten. Der Wettkampfrichter pfeift mich zwar an, aber auf mein: „Tut mir leid, aber wer klebt denn bitte die Linie direkt hinter die Kurve?“ antwortet er auch nur schulterzuckend: „Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen“ und lässt mich ohne Strafe weiterlaufen. Ich war wahrscheinlich nicht der Erste, der die Linie verpasst hat.
Eine Runde Laufen beim Hamburg Wasser Triathlon
Die 10 Kilometer Runde ist in etwa die Gleiche, wie beim Ironman Hamburg. Doch hält sich das Zuschauerinteresse an der Strecke im Vergleich zum Ironman in Grenzen. Es ist ein recht einsamer Lauf. Auch hier ist der einzige Gegner die Uhr.
Meine Motivation ist mein Pace. 3:40 habe ich mir persönlich vorgenommen. Die Vorgabe des Coach war etwas konservativer, aber ich wollte schauen was geht.
Ich laufe recht locker aus der Wechselzone und bis auf das Zick-Zack am Anfang kann man die Strecke auch gut laufen. Es ist immer noch sehr windig, aber dafür strahlt jetzt die Sonne. In meinen Augen perfektes Laufwetter.
Ab der Hälfte fällt es mir schwerer mich weiter zu motivieren das Tempo zu halten. Die Atmosphäre entspricht eigentlich eher einer normalen Alsterrunde. Aber das hier ist kein Trainingslauf, also versuche ich weiter mein Ziel zu verfolgen.
Zum Glück sind 10 Kilometer ja nicht so lang und auf den letzten 3 Kilometern will ich auch nicht mehr abreissen lassen. Die 10 Minuten kannst du jetzt noch durchziehen, denke ich.
Dann bin ich auch schon wieder an der Binnenalster und kann das Ziel schon riechen.
Richtig Stimmung kommt dann nochmal im Zielkanal auf. Die letzten 400 Meter zur Ziellinie am Rathausmarkt sind gesäumt von Menschen, die ordentlich Lärm machen.
Ein klasse Finish!
Mit knapp 36 Minuten bin ich super zufrieden. Ich habe meine eigene Erwartung sogar noch übertroffen. Zudem fühle ich mich im Ziel noch richtig gut und nicht komplett ausgepowert.
Ich schnappe mir ein Erdinger mit Zitrone und genieße es in der Sonne. Das war mal ein richtig gelungener Wettkampf.
Als ich meine offizielle Zeit checken will, merke ich, dass online noch keine Ergebnisse verfügbar sind. Es gibt auch kein Live-Tracking. Das ist schon ziemlich mau, da dieser Service ja mittlerweile bei fast jeder Dorfveranstaltung angeboten wird.
So weiß ich zu dem Zeitpunkt nur, dass meine Zeit irgendwas um die 2:06 Stunden geworden ist. Mit einer Zeit unter 2:10 hatte ich insgeheim geliebäugelt. Es lief also richtig gut für mich.
Platzierung? Keine Ahnung. Aber ich wäre schon enttäuscht, wenn es nicht für das Altersklassen Podium gereicht haben sollte.
Ich finde es immer doof, wenn man im Ziel nicht weiß, wie man abgeschnitten hat. Warum lässte man die Athleten nicht nach Altersklasse gestaffelt starten? Dann hätte man wenigstens einen richtigen Wettkampf. So ist das irgendwie etwas komisch.
After Race
Da ich noch gut zwei Stunden warten muß, bis ich mein Rad holen kann, entschließe ich mich vor Ort zu duschen. Ich hole meine Klamotten und laufe zum Athleten-Garten, der doch ein ganzes Stück vom Ziel entfernt ist. Aber dort stehen zwei Grohe-Dusch-Trucks und ich bin direkt versöhnt. Ich liebe die Dinger.
Frisch geduscht bekomme ich sogar noch eine Massage und werde währenddessen mit den Hits der 80iger beschallt. Das Massagezelt als Stimmungsnest.
Als ich am Checkout der Wechselzone vorbeikomme, sehe ich, dass einige bereits ihre Räder abholen. Als ich nachfrage, erklärt man mir, dass man für 15€ einen Early-Checkout buchen konnte. Man kann auch mit allem noch ein paar Euros machen.
So schlage ich bei Mättz am running green Stand die Zeit tot, bevor ich endlich meine Sachen holen kann und dann auch den langen Heimweg in Angriff nehmen muß.
6 Stunden Autofahren nach einem Wettkampf sind echt nicht zu empfehlen.
Nachtrag zum Hamburg Wasser Triathlon
Irgendwann am späten Nachmittag sind dann auch die Ergebnisse online:
Offizielle Zeit: 2:06:36. Ich bin Erster in der Altersklasse und Vierter im Gesamtklassement.
Mit einer so guten Gesamtplatzierung hätte ich nie gerechnet. Insgeheim hatte ich auf den Altersklassensieg und eine Platzierung unter den Top 20 spekuliert. Das ich so gut abschneide, ist schon richtig cool.
Ein bisschen traurig finde ich, dass es keine Siegerehrung gibt. Noch nicht einmal die Top 3 des Amateuerrennens werden geehrt. Ist vielleicht auch nicht ganz einfach bei einem Rennen, bei dem zwischen den ersten und den letzten Starts vier Stunden liegen. Trotzdem schade. Hätte ich von einem so großen Rennen anderes erwartet.
Das ist aber auch der einzige Wermutstropfen an diesem sonst perfekten Triathlon Wochenende.
In 3 Wochen geht es dann schon wieder in den hohen Norden zu meinem ersten Start für die Regionalliga beim Silbersee Triathlon in Stuhr.
Strava Aktivitäten zu diesem Rennen: swim – bike – run
Infos zum Hamburg Wasser Triathon auf der Veranstalter Webseite