Ironman Hawaii 2022 – Das Warten hat ein Ende

Heute ist es also soweit. Nachdem ich mich vor drei Jahren in Vichy für den Ironman Hawaii qualifiziert habe, geht es heute tatsächlich an den Start der Ironman Weltmeisterschaft 2022 in Kailua-Kona Hawaii.

Ich hatte viel Zeit mich auf dieses Rennen vorzubereiten. Ich wollte dieses Mal optimal vorbereitet am Start stehen. Nach meiner Teilnahme 2018 und den Erfahrungen von damals, wollte ich jetzt wissen, was für mich beim Ironman Hawaii erreichbar ist.

Guten Morgen Hawaii

Am Abend vor dem Rennen schaffe ich es tatsächlich, um 20 Uhr ins Bett zu gehen und bis morgens um 3:30 Uhr durchzuschlafen. Das ist schon mal ein positiver Start in den Renntag, dass ich trotz der Aufregung gut schlafen konnte. Denn ich bin so nervös, wie nie vor einem Rennen. 

Die zwei Wochen Vorbereitung auf Hawaii haben mich nicht gerade beruhigt und ich habe wirklich großen Respekt vor dem Rennen. Vielleicht auch ein bisschen Angst. Vor allem der Marathon macht mir Sorgen, denn jeder Trainingslauf auf der Insel hat mich an meine Leistungsgrenze gebracht und auch darüber hinaus.
Auch die Erfahrungen aus meinem Ironman Hawaii 2018 sorgen nicht gerade für Beruhigung.

Sorgen bereitet mir auch die Tatsache, dass es in diesem Jahr weniger Verpflegungsstationen auf der Rad- und der Laufstrecke gibt, da Ironman mit einem massiven Helfermangel zu kämpfen hat.
Von den Donnerstag-Startern erfährt man zudem, dass die Helfer an den Verpflegungsstationen zum Teil kaum damit hinterher kommen, die Becher aufzufüllen und Wasser bereitzustellen.

Die morgendliche Vorbereitung ist Routine. Startnummern auf die Arme kleben, dick mit Sonnencreme eincremen, anziehen, einen Kaffee, vier Toast mit Honig und dann geht es los Richtung Start. 
Auch hier bemerkt man die fehlenden Helfer, denn beim Ironman Hawaii 2018 wurde das Body-Marking noch von den Helfern vor Ort erledigt. Wobei das wirklich ein verzichtbarer Service ist.

Das Warten auf den Start zum Ironman Hawaii 2022

Michelle begleitet mich zum Startbereich am Kona Beach Hotel und das hilft schon sehr, meine Nervosität etwas im Zaum zu halten.

Auf dem Hotelparkplatz angekommen, verabschieden wir uns und ich durchlaufe den Check-In Prozess.  

In der Wechselzone mache ich mein Rad startklar. Flaschen auffüllen, Reifen aufpumpen, Schuhe einklicken. Mehr muss ich nicht machen. 

Dann will ich mich umziehen und stelle fest, dass es keine Umkleide gibt. Ich will in den USA nicht einfach blankziehen, denn ich weiß, dass so etwas hier äußerst ungern gesehen wird, vor allem weil hier auch viele Helferinnen herumschwirren.
Aber niemand kann mir weiterhelfen und ich werde von A nach B geschickt. Ein Ironman Mitarbeiter erlaubt mir dann ausnahmsweise die Wechselzone noch einmal zu verlassen und ich ziehe mich in der Hoteltoilette um. Bin ich wirklich der Einzige, der seinen Einteiler noch nicht an hat?

Danach begebe ich mich in den Startbereich, der in Blöcke für die einzelnen nach Altersklasse gestaffelten Startwellen eingeteilt ist.
Dort sitze ich dann mit Michelle auf der anderen Seite der Absperrung und warte auf meinen Start um 7:20 Uhr. Ich habe noch fast eine Stunde Zeit bis es losgeht.

Lustigerweise lassen die Helfer hier die Athleten den Startbereich verlassen und auch wieder betreten. Das ist aber auch mehr als sinnvoll, denn es gibt weder in der Wechselzone noch im Startbereich Toiletten. Ich frage mich wirklich, wer so etwas plant?
Wer schon einmal bei einem Sportevent gestartet ist, der kennt die Schlangen vor den Dixi-Klos. 

Irgendwann kommen auch meine Eltern und zu viert vergeht die Zeit etwas schneller. 

Dann startet die Elite. Die Nationalhymne ertönt, darauf folgt die hawaiische Hymne und dann donnert die Kanone.
Leider bekomme ich davon im Startblock wenig mit. 2018 stand ich zu diesem Zeitpunkt mit Gänsehaut in der Wechselzone direkt hinter der Kanone. Das war schon geiler.

Irgendwann setzt sich mein Startblock in Bewegung. Es geht los Richtung Schwimmstart. Noch einmal verabschiede ich mich und mache mich auf zum längsten Tag des Jahres.

3860 Meter schwimmen im Pazifik

Pünktlich um 7:10 Uhr werden wir ins Wasser gelassen. Perfektes Timing, denn genau in dem Moment kommen die ersten beiden Gruppen der Profis aus dem Wasser. Das geht aber so schnell, dass ich nur Kristian Blummenfelt an seinem auffälligen Körperbau erkenne.

Ich schwimme zur imaginären Startline, die von Frauen und Männern auf Surfboards markiert wird.
In diesem Jahr will ich es etwas aggressiver angehen und begebe mich in die zweite Reihe. Es ist sehr eng und ständig tritt man sich gegenseitig aus Versehen. Ich bereite mich mental auf eine harte Waschmaschine vor.

Die Stimmung knistert vor Aufregung, aber ich bin froh, dass die Warterei nun vorbei ist und es jetzt endlich losgeht. 

Dann ertönt das Startsignal und ich schwimme hart an. Ich weiß, dass ich jetzt erstmal Meter machen muss, um nicht vom Feld überrollt zu werden.
Die ersten paar hundert Meter sind ein ganz schönes Gekeile, aber diesmal ziehe ich mit und nach einem Viertel der Strecke beginnt es sich etwas zu beruhigen.

An der Wende wird es dann wieder etwas enger, aber dann ist es auf einmal recht leer auf der Strecke.
Ich hänge an einem paar Füßen und ich kann recht entspannt im Wasserschatten mitschwimmen.

Als wir dann allerdings auf die langsamen Schwimmer aus der Startwelle vor uns aufschwimmen, wird es nochmal unruhig.

Dann kommt auch schon das Pier immer näher. Das Ende ist in Sicht.

Ich steige aus dem Wasser und stoppe die Zeit: 1:04:41. Nicht ganz so schnell wie beim Ho’ala Swim letzte Woche, aber unter 1:05 und gute 5 Minuten schneller als beim Ironman Hawaii 2018.
Voll im Soll. Schwimmen abgehakt. Das lief schon mal richtig gut.

Der Wechsel aufs Rad

Ich brause mich kurz unter der Süßwasserdusche ab, schnappe mir meinen Wechselbeutel und laufe ins Umkleidezelt.
Ich ziehe mir Socken an und renne zu meinem Rad. Der Weg ist weit, denn jeder muss einmal komplett um das ganze Pier herum laufen.

Ich habe aber einen sehr guten Stellplatz fast am Ende der Wechselzone, so dass ich nur wenige Meter mit dem Rad in der Hand laufen muss.

Am Rad angekommen, setze ich den Helm auf und los geht’s. Allerdings staut es sich etwas am Ausgang der Wechselzone. Es ist halt sehr wenig Platz und ich verliere einige Sekunden.

Dann steige ich aufs Rad und fahre los. 

180,2 Kilometer nach Hawi – Die Radstrecke des Ironman Hawaii

Es geht zuerst eine Runde auf dem Kuakini Highway durch Kona. Hier ist es noch sehr eng und voll auf der Radstrecke. Fair fahren und die 12 Meter Abstand zum Vordermann einhalten sind fast unmöglich. 

Nach etwa 10 Kilometern geht es dann die steile Palani Road hoch auf den Queen K Highway.
Hier ist jetzt mehr Platz und das Feld sortiert sich langsam. Doch einige nehmen es weiterhin nicht so genau und fahren trotzdem im Windschatten. Ich hänge in einer Gruppe von 10 Fahrern, die absolut unfair fahren. Ich überhole sie einmal, zweimal, dreimal, aber jedes Mal sammeln sie mich nach einigen hundert Metern wieder ein.
Ein Wettkampfrichter kommt irgendwann neben die Gruppe gefahren, belässt es aber bei einer Ermahnung und gibt sogar noch ein Daumenhoch, als sie den Abstand auf vielleicht 6 Meter erhöhen. Super, so werden sie also noch in ihrem Verhalten bestätigt.

Nach gut 30 Kilometern schaffe ich es dann in einer Abfahrt, die Gruppe endlich hinter mir zu lassen. 

Von den Wattwerten fahre ich sehr konservativ und orientiere mich am unteren Bereich der Vorgabe. Nur nicht zu früh verausgaben. Es ist heute sehr heiß und am Himmel kein Wölkchen zu sehen. Das könnte heute einer der ganz warmen Tage hier werden.

An den Verpflegungsstationen nehme ich immer zwei Flaschen Wasser. Eine am Anfang der Station, um meinen Tank aufzufüllen, und eine am Ende der Station für den Flaschenhalter am Sattel. Das klappt eigentlich ganz gut.

Die Stationen sind aber diesmal sehr weit auseinander. Teilweise fast 30 Kilometer. Aufgrund des Helfermangels mussten die Stationen reduziert werden.
Trotzdem sind auch die verbliebenen Stationen zum Teil unterbesetzt. Ich muss immer deutlich abbremsen, um den Helfern die Zeit zu geben, mir eine Flasche anzureichen. 
Das kostet Zeit und Nerven.
Bei den Bedingungen und den Abständen der Station wäre es aber fatal, eine Flasche zu verpassen.

Bei der vierten Station passiert es dann, mir fällt die Wasserflasche durch den Flaschenhalter. Das Problem ist, dass ganz normale Einwegflaschen ausgegeben werden. Diese sind etwas schmaler als Radflaschen und durch den dünnen Kunststoff auch nicht so stabil.
Ich stelle fest, dass wenn ich die Flasche nicht exakt gerade in den Flaschenhalter stecke, sie durch diesen hindurchfallen kann.
Suboptimal. Jetzt fehlen mir gut 700 Milliliter Wasser bis zur nächsten Station. Leider passiert mir das Malheur später noch einmal.

Irgendwann ist Kawaihae erreicht und der Aufstieg nach Hawi beginnt.

Bis hierhin läuft es ganz gut und nach gut 100 Kilometern ist der Wendepunkt in Hawi erreicht.

Hier steht ein Triathlet, der offenbar an der Wende gestürzt ist, und hat nur noch den Lenker seines Rads in der Hand. Das ist wirklich bitter und er tut mir mega leid. Das ist der Worst-Case so den Ironman Hawaii zu beenden.

Dann kommt die Abfahrt zurück nach Kawaihae. Es ist recht wenig Wind heute. So kann ich im Auflieger den Berg runter ballern, ohne Angst zu haben, von einer Böe abgeräumt zu werden. Der Streckenabschnitt macht richtig Bock. Vollgas und 60 Sachen auf dem Tacho.

Der Höhenflug nimmt ein jähes Ende

Doch leider hat das emotionale Hoch ein abruptes Ende.

Am Anstieg zurück auf den Queen K merke ich auf einmal, dass mir die Power fehlt und mir die Hitze arg zusetzt. Jetzt schon, nach 130 Kilometern auf dem Rad, geht mir der Saft aus.

Frust macht sich breit. Wie soll das nur enden?

Ich versuche mich mit Wasser etwas zu kühlen, aber zu viel Wasser kann ich dazu nicht verwenden, denn die Verpflegungsstationen sind rar.
Es ist wirklich hart, wenn man den Highway über viele Kilometer überblicken kann und keine Verpflegungsstation in Sicht ist und man schon quasi auf dem Trockenen sitzt.

Ich versuche, das Beste aus der Situation zu machen und fahre nach Gefühl. Die Wattanzeige frustriert mich, aber was soll ich machen? Das werden sehr lange 50 Kilometer.

Bei Kilometer 150 kommt endlich wieder eine Verpflegungsstation. Doch diesmal gibt es am Ende der Station kein Wasser. Ob wegen des Helfermangels oder einfach weil das Wasser leer ist, weiß ich nicht. Fakt ist, dass ich jetzt für die letzten 30 Kilometer nur noch das Wasser aus dem Tank habe. Wie Scheiße kann es eigentlich noch werden?

Zumindest bekomme ich wieder ein paar Watt mehr aufs Pedal und als endlich der Flughafen in Sicht kommt, hebt sich auch etwas meine Stimmung. Endlich ist das Ende absehbar.

3 Kilometer vor dem Ziel passiert es dann. Neben mir taucht ein Motorrad auf. Ich sehe eine blaue Karte. 5 Minuten Zeitstrafe wegen Drafting.

Ich bin im Tran tatsächlich zu dicht auf den einzigen Radfahrer weit und breit aufgefahren. Nach fast 6 Stunden im Wettkampf ist meine Aufmerksamkeitsspanne nicht mehr so groß. In Gedanken war ich schon in der Wechselzone und kurz davor, aus den Radschuhen zu steigen.
Ja, der Abstand war unter 12 Meter. Ich habe die Regel gebrochen, keine Frage.  Strafe berechtig.
Ob man nach dem ganzen Gelutsche im Feld, dann am Ende so hart durchgreifen muss, weiss ich nicht. Aber es ist, wie es ist.
So kassiere ich die erste Strafe meiner Triathlonkarriere und halte 2 Kilometer später für 5 Minuten im Penalty Zelt an.

Dann geht es nur noch wenige Meter bis in die Wechselzone. 

Ich stelle mein Rad ab. Inklusive der Zeitstrafe bin ich eine 5:09:08 gefahren. Das war nun gar nicht die Zeit, die ich mir insgeheim vorgestellt habe. Selbst ohne die Strafe, bin ich gut 10 Minuten über meinem Minimalziel geblieben und deutlich langsamer als vor vier Jahren.

Ich bin frustriert und mein Körpergefühl lässt für den kommenden Marathon nichts Gutes erahnen.

Die letzten 42 Kilomter des Ironman Hawaii

Nach meinen Erfahrungen von 2018 bin ich diesmal besser vorbereitet. Ich habe mir einen Schal genäht, mit zwei Beuteln für Eis. Außerdem habe ich an meiner Mütze ein Tuch angebracht, das meinen Nacken vor der Sonne schützt. Zudem habe ich mir eine Flask-Flasche eingepackt, um zwischen den Verpflegungsstationen Wasser zu haben.

Auch auf der Laufstrecke wurden die Stationen deutlich reduziert. Statt nach jeder Meile gibt es nur noch etwa alle 1,6 Meilen eine Aidstation. Das ist fast ein Kilometer mehr Abstand.

Schon im Wechselzelt lade ich meinen Schal mit Eis voll. Dann geht es auf die Laufstrecke.

Der erste Abschnitt der Strecke führt auf dem Ali’i Drive durch Kona bis zur Wende hinter dem White Sands Beach.

Diesmal laufe ich mit Powermeter statt nach Pace. Da die Strecke sehr wellig ist, hoffe ich so, an den Anstiegen nicht zu überzocken und konstanter zu laufen.

Ich fühle mich gar nicht gut. Das wird ein harter Tag und das Schlimmste kommt erst noch. Der Ali’i Drive ist recht gnädig zu laufen, zwar ist er sehr wellig und die Anstiege tun richtig weh, aber es gibt ab und zu zumindest kurzzeitig Schatten. Das Beste sind aber die Anwohner, die fast alle 100 Meter mit einem Gartenschlauch am Straßenrand stehen. Die kühle Dusche tut gut und kühlt für gefühlte 10 Sekunden.

Am Lava Java wartet Michelle auf mich. Ich freue mich, sie zu sehen, habe aber keine Kraft es zu zeigen.
Dann endlich eine Verpflegungsstation. Eis nachfüllen, Flask auffüllen, weiterlaufen. Dann passiere ich meine Eltern. Ich bin jetzt schon total platt. Die Strecke zieht sich eine gefühlte Ewigkeit. Dann der Wendepunkt. Es geht die gleiche Strecke wieder zurück. Jetzt allerdings auf der anderen Straßenseite, die keinen Schatten mehr bietet. 

Ich gehe in jeder Verpflegungsstation, um mich maximal zu versorgen und alles aufzufüllen. Die Zeit muss sein. 

Dann bin ich endlich an der Palani Road und diese steile Straße hoch zu laufen ist wirklich hart. Ich trabe sie sehr gemächlich nach oben, den Blick auf der Run-Power. Viele gehen hier.

Oben angekommen, biege ich auf den Highway. Der Asphalt flimmert. Ich spritze mir mit der Flask regelmäßig Wasser ins Gesicht. Ein Segen, dass ich das Ding dabei habe.

Der Abstand zwischen den Verpflegungstationen ist groß. Zu groß. In einem Klima, in dem ein Klumpen Eiswürfel in 15 Minuten schmilzt, sind 3 Kilometer eine gefühlte Ewigkeit entfernt.

Meine Zielpower beim Laufen kann ich mittlerweile nicht mehr halten. Ich beschließe die Uhr zu ignorieren. Die vorausgesagte Zielzeit von fast 4 Stunden lässt mich absolut frustriert zurück. Das bedeutet, dass sogar ein Finish unter 10 Stunden knapp wird. Das wäre weit von dem entfernt, was ich mir hier ausgemalt habe. Sogar das Minimalziel Daylight Finish ist nicht mehr sicher, denn der Tag ist noch lang.

Ich setzte mir aber noch ein Ziel. Ich will auf keinen Fall zwischen den Verpflegungsstationen gehen oder stehen bleiben. Auch wenn die Verlockung noch so groß ist, es macht einfach keinen Sinn in der prallen Sonne auf dem Highway zu gehen, wo man nichts machen kann, außer zu verglühen.
Diese Zeit ist in der Verpflegung besser investiert. Dort lasse ich mir teilweise eine Minute Zeit, um mein Eis aufzufüllen, ein Gel zu nehmen, Wasser zu trinken, die Flask aufzufüllen und mich mit Wasser zu übergießen.

Teilweise sind die Helfer heillos überfordert, da die Stationen von beiden Seiten angelaufen werden, sind sie immer sehr belagert. Die Volunteers kommen kaum damit nach, die Becher zu füllen. Aber sie geben ihr Bestes. Feuern uns an und helfen wo sie nur können.

Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchen die Solarpanele am Eingang zum Energy Lab am Horizont auf. Jetzt kommt der härteste Teil der Laufstrecke.
Es geht unendlich lang den Highway hinauf, bis man endlich nach links ins Energy Lab abbiegt.

Ich genieße das leicht abfallende Stück runter ans Meer, auch wenn hier die Hitze steht und man kaum Luft bekommt.

An der Verpflegung im Energy Lab gibt es zwei aufblasbare Pools, die eigentlich mit Eis gefüllt waren. Doch sie sind leer. Ich hatte mich sehr auf das Eisbad gefreut.
Als Ersatz überschütten die Helfer mich mit Eiswasser. Was für eine Erfrischung. Allerdings hält der kühlende Effekt nur wenige Sekunden an, bevor die volle Wucht der Hitze wieder die Oberhand gewinnt. Als würde man auf einer Herdplatte laufen.

Der Weg aus dem Lab ist brutal. Es geht leicht bergauf. Die Sonne grillt dich von hinten. Die Luft steht. Jetzt geht es nur noch darum, nicht zu kollabieren und nicht stehen zu bleiben.

Viele gehen mittlerweile. Einige übergeben sich oder liegen am Straßenrand. Hier sieht man das ganze Leiden, das dir Hawaii zufügen kann.

Ich sehe auf der Strecke sogar zwei Zuschauer, die zusammengebrochen sind und medizinisch versorgt werden. Das sagt, glaube ich, alles.

Als ich endlich den Ausgang erreiche, gibt mir das einen mentalen Push. Das Schlimmste liegt hinter mir. Nur noch 15 Kilometer bis ins Ziel und es liegen mehrere abschüssige Abschnitte vor mir.

Bei Kilometer 30 dann der Schock. Es gibt kein Eis mehr an der Verpflegung und auch das Wasser ist knapp. Jetzt schon? Ich befinde mich ja eher in der vorderen Hälfte des Feldes. 

Es ist unglaublich, was Ironman hier abliefert. Es ist schon wirklich hart an der Grenze bei einem so fordernden Rennen keine optimale Versorgung bereitstellen zu können.
Den Helfern ist hier explizit kein Vorwurf zu machen. Wenn Ironman ein zwei Tages Event zementiert, dann müssen sie auch die Infrastruktur und die Helfer dafür auf die Reihe bekommen. So ist das auf jeden Fall richtig Scheiße.

Zum Glück gibt es an der nächsten Station wieder Eis.

Außerdem merke ich, dass meine Uhr, warum auch immer, zwei Kilometer zu wenig aufgezeichnet hat. Das bedeutet, dass die Zielzeitvorhersage und die Anzeige meiner Durchschnittspace komplette Grütze sind. 

Bin ich vielleicht doch nicht so schlecht unterwegs? 

Ich schaue jetzt doch mal wieder auf die Uhr und bin überrascht, dass ich gerade einen 4:20er Pace laufe. Meine Stimmung hellt sich etwas auf.

Auf einmal fällt mir auch auf, dass ich zwischen den Aidstations noch von keinem Athleten überholt wurde. So schlecht läuft es dann wohl doch nicht.

Trotzdem fällt es mir sehr schwer, auf den letzten 10 Kilometern meine Regel einzuhalten und nicht doch dem Verlangen nachzugeben und zu gehen.

Die letzten Meter des Ironman Hawaii

Dann kommt der letzte Anstieg. Oben wartet das Stimmungsnest von Hannes Hawaii Tours. Kilometer 40 ist erreicht. Die Palani Road runter zu laufen tut weh. Egal. Laufen lassen. Bergab bekommt man Zeit geschenkt, wenn man dafür die Schmerzen im Oberschenkel ignoriert.
Nach einem unendlich langen Kilometer geht es endlich runter auf den Ali’i Drive. Nochmal bergab. Nochmal brennen die Oberschenkel.

Dann geht es nach rechts Richtung Ziel. Die Straße ist gesäumt von Menschen. Die Stimmung ist gigantisch. Was für ein Kontrast zum einsamen Highway.

Ich passiere den berühmten Banyan-Baum. Freudenschauer laufen mir über den Rücken. 

Ein gebrauchter Tag. Ein gefühlt enttäuschendes Rennen. Alles vergessen.  Das hier sind die 300 Meter, auf die ich drei Jahre hingearbeitet habe.

Der Zielkanal. Ein Getöse. Eine wabernde Menge von Menschen.
Meine Mutter hält mir die St. Pauli Fahne entgegen.

Die letzten Meter. Ich gehe die Rampe zum Zielbogen hinauf.
“Patrick, you are an Ironman” ruft Mark Reilly, die Stimme des Ironman.
Ich habe es geschafft. Ich habe die Insel zum zweiten Mal bezwungen. Irgendwie.

Ich schaue auf meine Uhr und kann kaum glauben, dass ich trotz der Zeitstrafe mit 9:40:11 das Ziel erreicht habe und damit zumindest mein Ziel, schneller als beim Ironman Hawaii 2018 zu sein, erreicht habe.

After Race

Im Ziel wird dir keine Sekunde Zeit geschenkt. Zwei Helfer haken mich links und rechts unter und geleiten mich in den Athletenbereich.
Mir sacken etwas die Beine weg. Die Fragen der Helfer kann ich nur stammelnd beantworten. Ich bin komplett leer.

Ich bitte sie, mich irgendwo abzulegen und mir Cola zu bringen. So sitze ich einige Minuten am Boden und versuche mich zu sammeln.

Irgendwann schaffe ich es wieder auf die Beine. Hole meinen Kleiderbeutel und bekomme die Finisher-Medaille. Auch in diesem Jahr ist das Teil ein echter Brocken.

Dann treffe ich Fips und Felix und wir lassen uns kurz nieder. Nach vier Cola und zwei Schnitten Eiscreme komme ich so langsam wieder zu mir.

Ich verlasse den Athleten Garten und treffe mich am Ausgang des Hotel mit Michelle und meinen Eltern. Ich will so schnell es geht in unsere Unterkunft. Duschen & ausruhen.

Die heiße Dusche tut so gut. Ich versorge meine geschundenen Füße und kann nach einiger Zeit sogar eine Pizza essen. Körperlich geht es mir deutlich besser als beim letzten Mal, wo ich kurz vor einem Kreislaufzusammenbruch stand.

Später müssen wir noch mein Rad abholen. Diesmal fahren wir mit dem Auto. Bloß nicht zu viel laufen. Auf dem Weg zum Check-Out treffen wir noch Alex aka Sockensiggi von Incylence. Die Rakete hat das Ding in 8:55 gefinished. Unfassbar.

Am Zielkanal ist relativ wenig los und es kommen auch nur sehr vereinzelt Läufer ins Ziel. Es ist 22:30 Uhr und das Ziel ist noch für über zwei Stunden geöffnet. Was für eine Wahnsinnsleistung, hier 15 und mehr Stunden Sport zu machen, um dann in stockfinsterer Nacht im Ziel einzulaufen.

Lange bleiben wir nicht. Ich hole mein Rad und stelle fest, dass meine Verpflegungsflasche noch fast halb voll ist. Im Wettkampf dachte ich, dass ich sie fast komplett geleert habe. Keine Ahnung, welchen Streich mir da mein Gehirn gespielt hat. Aber das könnte natürlich eine Erklärung für meinen Leistungseinbruch sein. Wie dumm kann man bitte sein? Da habe ich einen richtigen Bock geschossen und mir das Rennen damit wahrscheinlich ziemlich versaut.

Wir packen den ganzen Kram ins Auto und fahren nach Hause. Ich bin allerdings zu fertig, um zu schlafen und sitze noch bis nach Mitternacht auf der Couch. Ein fieses Gefühl, wenn man vor Erschöpfung nicht schlafen kann.

Der Tag danach

Jetzt, am Morgen danach, bin ich zwar immer noch erschöpft, meine Beine schmerzen etwas und meine Füße sehen nicht so gut aus, aber mit meinem Rennen bin ich mittlerweile doch ganz zufrieden.

Das Schwimmen lief sehr gut und ich konnte mich in der Waschmaschine behaupten.

Das Radfahren war dann wohl doch nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass ich nur mit halber Verpflegung und zu wenig Wasser unterwegs war. Aber natürlich ist es super ärgerlich, so einen dummen Fehler zu machen. Die Zeitstrafe rundet die Dummheit dann noch ab.

Mit dieser Vorbelastung und bei den harten Bedingungen dann noch einen Marathon in 3:19:17 zu laufen und damit immerhin den 10. Schnellsten in der Altersklasse ist dann ein versöhnlicher Abschluss.

Am Ende bleibt Platz 26 in der Altersklasse, was für eine Weltmeisterschaft so schlecht nicht ist.

Trotzdem ist das Thema Ironman Hawaii jetzt für mich erstmal erledigt. 
Die Insel ist zwar super schön, die Wochen vor dem Rennen, die ganze Atmosphäre im Schmelztiegel der Triathlonwelt, sind unbeschreiblich, aber das Rennen selbst ist pure Qual.

Vielleicht komme ich irgendwann mal wieder nach Kona um beim Ironman Hawaii zu starten, aber jetzt gilt es erst einmal, neue Ziele zu erreichen.

PS: Es gibt auch einen langen Vorbericht zum Ironman Hawaii von mir: Die Kona Diaries


Strava Aktivitäten zu diesem Rennen: swim – bikerun

Infos zum Ironman Hawaii auf der Veranstalter Webseite