2019 habe ich einen Startplatz für den Ironman Lanzarote gewonnen. Ein Rennen, das recht weit oben auf meiner Bucketliste steht. Große Vorfreude auf das Jahr 2020 mit dem Ironman Lanzarote im Mai und Hawaii im Oktober.
Dann kam 2020 die Absage aufgrund der Pandemie, 2021 war mir die Sache wegen Corona noch zu unsicher und 2022 hat mich Corona dann kurz vor dem Rennen selbst erwischt.
Doch jetzt ist es endlich soweit. Die Koffer sind gepackt und morgen früh geht es tatsächlich auf die spanische Kanareninsel.
Der Flieger startet allerdings zu unchristlicher Zeit. Wie soll man mit zwei Radkoffern und Gepäck morgens um 3 Uhr zum Flughafen kommen? Zum Glück erklärt sich ein guter Freund dazu bereit, uns mit seinem Bus zu fahren. Problem gelöst.
Tag 1 – Hello Lanzarote
Freitag, 12.05.2023
Um 2:30 Uhr klingelt der Wecker, ich habe sehr bescheiden geschlafen.
Ab zum Flughafen, Checkin und noch ein Frühstück beim Restaurant “Zur Goldenen Möwe”. Alles easy. Sogar die Security ist diesmal nett und wir dürfen nach einigen Rückfragen des Sicherheitspersonals und einem kurzen Schnack mit der Polizei mit unseren Co2 Kartuschen, die wir für unsere Radpumpen brauchen, passieren.
Jetzt muss nur noch alles heil auf der Insel ankommen.
Der Flug ist unspektakulär und ich komme endlich mal dazu, ein Buch zu lesen.
Am Flughafen in Lanzarote läuft es weiter wie am Schnürchen. Radkoffer und Gepäck sind unbeschadet eingetroffen. Am Ausgang werden wir von einem lokalen Bikeshop-Besitzer mit Ironman-Shirt angesprochen, wie wir zum Hotel kommen und ob er uns mitnehmen soll. Da sagen wir doch nicht nein.
Und auch unser Apartment-Hotel stellt sich als sehr schön heraus. Perfekter Auftakt.
Wir schlendern erstmal eine Runde ums Hotel und an der Promenade entlang, gehen indisch Essen und etwas Einkaufen, bevor wir eine Runde im Meer schwimmen.
Die Bucht ist nur 2 Minuten von unserem Hotel entfernt und wir stapfen im Neo zum Strand, vorbei an den anderen Hotelgästen, die uns etwas misstrauisch beäugen.
Dass es auf Lanzarote sehr windig ist und der Wind vor allem immer und permanent weht, war kein Gerücht. Der Gedanke, hier 180 Kilometer über die Insel zu fahren, ringt mir ordentlich Respekt ab. Das wird hart.
Erstes Freiwasserschwimmen
Das Wasser ist kalt, aber mit Neopren angenehm. Wir queren einmal durch die Bucht und schwimmen dann gegen den Wind zurück. Das ist schon ordentlich anstrengend und die Wellen schaukeln uns ganz schön durch. Hoffentlich ist die Wettkampfstrecke etwas ruhiger.
Danach gehe ich noch eine lockere Runde laufen. Ich möchte mir den Schwimmstart ansehen. Michelle radelt neben mir her. Das Stück ist recht wellig, da sammelt man schon ein paar Höhenmeter.
Auf dem Rückweg schauen wir noch bei den Jungs von Bike Sensations vorbei, um uns nochmal für den Transport zu bedanken. Sehr nette Leute, die selbst alle Triathlon machen.
Abends treffen wir dann endlich unsere Internet-Bekanntschaften im Reallife, mit denen wir uns via Instagram zu diesem Trip verabredet haben.
Wir schnacken lange beim Abendessen, das leider nur aus Salat, Pommes und Bananen besteht. Tierfreie Kost scheint in diesem Hotel unbekanntes Terrain zu sein. Dafür gibt es direkt mal 3 Sterne Abzug.
Tag 2 – Der erste Trainingstag
Samstag, 13.05.2023
Ich habe geschlafen wie ein Stein. Unser Zimmer hat zum Glück eine Kaffeemaschine, also muss ich nicht bis zum Frühstück auf die erste Dosis Koffein warten. Sehr gut.
Ich baue mein Rad zusammen und warte darauf, dass das Geburtstagskind aufwacht.
Pünktlich um 7:30 Uhr geht es zum Frühstücksbuffet, das glücklicherweise deutlich mehr zu bieten hat als das Abendessen. Es gibt sogar warme vegetarische Gerichte. Warum nicht am Abend?
Gut gestärkt geht es zur ersten Trainingseinheit. 15 Kilometer entlang der Küste auf der Wettkampfstrecke Richtung Arrecife.
Michelle begleitet mich ein kurzes Stück auf dem Rad, bevor sie sich auf ihre Trainingsrunde verabschiedet.
Ich laufe gegen den Wind Richtung Flughafen. Ziemlich spektakulär donnern ein paar Maschinen über meinen Kopf hinweg auf dem Weg zur Landebahn, welcher ich parallel zur Küste folge. Der Wind kommt frontal und bläst mir den Sand ins Gesicht.
Aber es lässt sich schön laufen und kurz vor Arrecife drehe ich um. Mit dem Wind im Rücken bin ich bei gleicher Leistung knapp 30 Sekunden schneller pro Kilometer. Man wird förmlich zum Ausgangspunkt zurück geschoben.
Am späten Nachmittag geht es dann nochmal ins Meer für eine weitere Runde durch die Bucht.
Beim Abendessen gibt es heute sogar Brokkoli, Karoffeln und Nudeln mit Tomatensoße. So leicht kann man uns befriedigen.
Morgen soll es dann zum ersten Mal auf’s Rad gehen. Ich bin gespannt.
Tag 3 – Radstrecke des Ironman Lanzarote
14.05.2023
Heute steht die erste Radausfahrt auf dem Plan. Die ersten 60 Kilometer der Wettkampfstrecke des Ironman Lanzarote mit den Anstiegen nach Asomada und dem Fire Mountain.
Nach dem Frühstück mache ich mich fertig und auf den Weg. Die Strecke ist bereits gut ausgeschildert, so ist es kein Problem, dass ich vergessen habe, mir die Karte für Lanzarote auf den Radcomputer zu laden.
Die erste Ausfahrt
Der Wind ist erträglich und auf der Schnellstraße fahre ich in Aeroposition. Dann geht es auf einer kleinen Zubringerstraße den ersten Berg hinauf.
Dann kommt eine lange, wellige Abfahrt und jetzt merke ich, dass der Wind doch nicht so erträglich ist. Es bläst mir heftig in die Seite und es fällt mir schwer das Vorderrad festzuhalten.
Ich fahre Oberlenker und bremse immer wieder die Geschwindigkeit runter. Immer wieder verreißt es mir das Rad. Der Verkehr macht es nicht besser. Ich bin maximal unentspannt.
Im Rennen werde ich definitiv nicht mit dem Hochprofil Laufrad fahren und bin sehr froh, dass ich noch ein normales Vorderrad dabei habe. Ich überlege sogar, ob es nicht schlauer gewesen wäre, mit dem Rennrad anzureisen, denn ich fahre kaum in Aeroposition.
Dann geht es auf kerzengerader Strecke durch den Timanfaya Nationalpark und spektakuläre Vulkanlandschaften. Ich kann mich leider nur wenig darüber erfreuen.
Am Gipfel angekommen, mache ich eine kurze Pause. Ich habe zu wenig getrunken, denn ich habe mich selten getraut, die Hand vom Lenker zu nehmen, um die Flasche zu greifen.
Ich bin doch ziemlich frustriert, da mir klar wird, dass ich auf dieser Radstrecke unfassbar viel Zeit verlieren werde. Aber ich habe eben nicht die Erfahrung und die Nerven, hier mit vollem Risiko zu fahren. Ich habe ein bisschen die Hoffnung, dass es im Rennen ohne Verkehr und mit ordentlich Adrenalin etwas besser läuft.
Ich eiere die Abfahrt hinunter und bin froh, dass ich dann ein paar Kilometer mit Rückenwind in Aeroposition fahren kann, bevor es die kleine Zubringerstraße wieder runter geht.
Auf der Schnellstraße Richtung Puerto del Carmen wird es dann nochmal richtig unangenehm und ich schwitze Blut und Wasser, während ich versuche das Rad auf der Straße zu halten.
Koppellauf
Maximal frustriert komme ich am Hotel an. Ein 5 Kilometer Koppellauf steht noch auf dem Plan. Ich schlüpfe in die Schuhe und renne los. Ich hämmere den ganzen Frust in den Asphalt.
Nach dem Lauf geht es mir besser und nach der Dusche baue ich mein Rad um. Selbst wenn am Samstag weniger Wind gemeldet ist, steht es für mich außer Frage beim Ironman Lanzarote mit einem 60er Vorderrad zu fahren.
Morgen steht nochmal eine kurze Radeinheit auf dem Plan und ich hoffe, dass der Radtausch das Fahrverhalten deutlich verbessert.
Tag 4 – Auf ein Neues
Montag, 15.05.2023
Nach der Erfahrung der ersten Ausfahrt habe ich gestern direkt mein Rad umgebaut und das vordere Hochprofil Laufrad gegen ein normales getauscht.
Heute soll ich nochmal für eine Stunde flach und locker auf’s Rad gehen. Flach und locker? Das sind irgendwie Attribute, die hier so gar nicht passen. Deswegen ignoriere ich die Vorgabe und fahre wieder den Berg hinauf Richtung San Bartolomé. Ich will ja schließlich testen, ob der Umbau etwas gebracht hat.
Heute bläst der Wind schon am frühen Morgen. Aber das Rad lässt sich schon deutlich besser handeln. Richtig sicher fühle ich mich zwar immer noch nicht, aber das liegt wahrscheinlich auch einfach am Verkehr.
Obwohl ich sagen muss, dass ich hier noch kein einziges Mal zu eng überholt wurde.
Ich bin zumindest etwas zuversichtlicher und am Ende bin ich fast jedes Segment der gestrigen Ausfahrt schneller gefahren. Das muss für Samstag reichen.
Den Rest des Tages lümmel ich auf der Terrasse und lese mein Buch. Zu Hause komme ich dazu viel zu selten.
Am Nachmittag gehen wir dann alle zusammen an den Strand für eine längere Schwimmeinheit. Ich schwimme 3100 Meter in einer Stunde und bin damit ganz zufrieden. Wenn ich im Wettkampf ein bisschen schneller bin, dann geht die Zeit schon klar.
Tag 5 – Restday
Dienstag, 16.05.2023
Heute ist Restday. Wir nutzen den Tag für ein bisschen Sightseeing.
Beim Frühstück treffen wir Franz, der hier schon zum 10. Mal beim Ironman startet. Er gehört quasi zum Hotelinventar und ist wohl auch sonst öfter hier. Er hat ein paar gute Tipps für uns.
Nach dem Frühstück starten wir zur Lavahöhle Cueva de los Verdes und lassen uns eine knappe Stunde durch die Unterwelt führen.
Danach geht es weiter zum Mirador del Río, dem Aussichtspunkt im äußersten Norden der Kanareninsel. Eine wirklich spektakuläre Aussicht, die wir auch im Rennen genießen können, denn die Radstrecke führt hier oben vorbei.
Den Rest des Tages verbringe ich mit rumliegen und lesen.
Tag 6 – Registierung zum Ironman Lanzarote
Mittwoch, 17.05.2023
Es geht in den Club la Santa zur Abholung der Startunterlagen. Das ist schon etwas umständlich, weil man dazu eine Dreiviertelstunde über die Insel tuckern muss.
Der Club möchte sich als Hauptsponsor aber wohl gerne jedem Teilnehmer präsentieren und als potentielles Urlaubsziel anpreisen.
Als wir kommen, machen gerade 50 Menschen zu YMCA Aerobic. Das ist schon mal der erste Eindruck von Horrorurlaub für uns. Auch sonst finden wir den Club eher abschreckend. Das hat was von Sport-Gulag. Die Anlage liegt absolut abgelegen, fern von jeglicher Zivilisation. Das Sportangebot und die Anlage sind schon beeindruckend, aber uns wäre das zu viel des Guten. Überall sind Gruppen von Menschen, die Yoga machen, Lauf-ABC, Schwimmkurse und so weiter. Übertraining gehört hier wahrscheinlich zum guten Ton.
An der Registrierung angekommen, sind wir etwas überrascht. Das ist alles sehr klein und überschaubar. 3 Stände auf der sogenannten Expo verkaufen ein paar Sportartikel und der Ironman Merch bietet vielleicht 20 verschiedene Artikel. Da ist ja bei jedem Dorftriathlon fast mehr los.
So sind wir ruckzuck fertig und fahren zurück nach Puerto del Carmen. Wir sind uns einig, dass wir hier keinen Urlaub machen werden.
Zurück im Hotel lümmel ich bei Trash-TV auf der Couch rum, während Michelle ihr Koppeltraining absolviert.
Danach geht es aber auch für mich nochmal für eine Stunde in die Laufschuhe. Ich bin so viel Freizeit gar nicht mehr gewohnt.
Michelle begleitet mich, während ich nochmal eine letzte Runde an der Promenade entlang laufe. Es geht wieder am Flughafen vorbei. Der Kerosingeruch ist etwas unangenehm.
Eine Stunde und 14 Kilometer später sind wir wieder zurück.
Zum Abendessen gibt es heute vegetarische Pizza. Ein perfekter Ausklang für den Tag.
Tag 7 – Schwimmstrecke des Ironman Lanzarote
Donnerstag, 18.05.2023
Der Tag beginnt mit Nieselregen und einem perfekten Regenbogen.
So langsam wird es ernst. Ich bereite schon mal meine Wettkampfverpflegung vor, packe meine Wechselbeutel und lege letzte Hand am Rad an.
Der Checkin ist zwar erst morgen, aber ich erledige alles lieber zeitig.
Nach dem Frühstück wollen wir heute eine Runde auf der Wettkampfstrecke schwimmen. In Puerto del Carmen sind die Aufbauarbeiten schon in vollem Gange.
Die Wechselzone ist sehr lang und zieht sich über einen Großteil der Promenade.
Am Schwimmstart sind noch keine Bojen gesetzt. So kann man nur raten, wo die Schwimmstrecke ungefähr lang geht.
Etwas weiter draußen kann man ein paar gelbe Bojen sehen. Ist das die äußere Begrenzung?
Ich werfe mich in den Neo und schwimme los. Ich habe die Boje noch nicht ganz erreicht, da zeigt die Uhr schon 500 Meter. Okay, das ist viel zu weit, denn man schwimmt ja nur eine 1900 Meter Runde.
Kurz darauf nähert sich ein Motorboot. Der Fahrer gibt mir zu verstehen, dass ich besser zurückschwimme, da es hier draußen nicht sicher für mich ist.
Ich schwimme wieder Richtung Strand und dann noch eine kleine Runde. Diese Bucht ist auf jeden Fall viel ruhiger als die vor unserem Hotel.
Nach dem Training gehen wir noch eine Pizza essen und fahren dann zurück. Ich muss erstmal einen Powernap machen. Je weniger ich zu tun habe, desto müder werde ich. Wird Zeit, dass es losgeht.
Tag 8 – Final Countdown zum Ironman Lanzarote
Freitag, 19.05.2023
So langsam wird es ernst. Die Wechselbeutel werden gepackt. Die Checkliste wie immer mehrfach abgeharkt.
Nach dem Frühstück stehen noch ein paar kurze Aktivierungseinheiten auf dem Plan. 30 Minuten Radcheck, kurz laufen und schwimmen und eine etwas längere Yoga-Session.
Als der kleine Triathlon erledigt ist, lege ich mich wieder auf die faule Haut.
Der Tag vor einem Ironman ist verdammt anstrengend. Ich laufe von A nach B ohne eigentlich irgendwas zu machen und warten auf den Bike-Checkin.
Der ist relativ schnell erledigt. Die Wechselzone zieht sich ganz schön. Je niedriger die Startnummer, desto größer der Vorteil, denn Eingang und Ausgang sind auf der gleichen Seite der Wechselzone. Nicht wirklich fair gelöst.
Ich bin mit meinem Platz im vorderen Drittel ganz zufrieden. Zumindest wird mein Rad gut bewacht.
Zum Abendessen veranstalten wir unsere ganz private Pastaparty. Es geht früh ins Bett, denn um 4 Uhr klingelt der Wecker zum Ironman Lanzarote 2023.