Eine Woche sind wir bereits auf der Kanareninsel zur finalen Vorbereitung auf den Ironman Lanzarote. Die letzten Trainingseinheiten sind absolviert. Der Tisch ist gedeckt für eines der anspruchsvollsten Ironman Rennen der Welt.
2020 wurde der Ironman Lanzarote abgesagt, 2021 habe ich verschoben, 2022 hat mich Corona erwischt. Jetzt ist es endlich soweit. Race Day. Ironman Lanzarote 2023.
Früher Start in den Tag
Der Wecker klingelt um 4 Uhr. Ich habe durchgeschlafen.
Es folgt das Routineprogramm: Kaffee, Toast mit Honig, dick mit Sonnencreme einschmieren, anziehen und los.
Der erste Blick geht auf die Palmen vor unserem Appartement. Die Wettervorhersage hat nicht gelogen, der Wind ist sehr gnädig heute.
Wir haben uns für 5:15 Uhr ein Taxi bestellt.
Auf dem Weg zur Rezeption begegnen uns ein paar Engländer, die offenbar gerade vom Feiern kommen. Einer ist so besoffen, dass er fast rückwärts die Treppen runterfällt. Das wäre hässlich geworden, aber er kann sich gerade noch am Geländer festhalten.
Taxifahrt zum Start
Das Taxi kommt auf die Sekunde pünktlich. Das beruhigt die Nerven. Was dann folgt, bringt unseren Puls schon mal auf Betriebstemperatur. Der Taxifahrer rast in Richtung Veranstaltungsgelände. Es geht mit Tempo 80 durch die 20er Zone und über die Bodenwellen vor den Zebrastreifen. Ich sitze vorne und mir kommen fast die vier Scheiben Toast hoch.
In Rekordgeschwindigkeit sind wir an der Wechselzone. 8 Euro kostet der wilde Ritt aus der Hölle.
Wechselzone
Es geht in die Wechselzone, die gut 500 Meter lang ist. Am Eingang werden die Zeitmesschips geprüft, was bei mir verdächtig lange dauert. Das soll im Tagsverlauf noch eine Rolle spielen.
Ich laufe erstmal zu meinem Rad, das doch ein ganzes Stück weg steht. Ich fülle die Flaschen auf, klicke die Radschuhe ein und bringe die Reifen auf Druck.
Dann klingelt mein Wecker. Zeit für die Portion Maurten BiCarb. Dummerweise habe ich vergessen einen Löffel mitzunehmen und den braucht man, um die Mischung zu essen. Michelle verschwindet kurz in einer Bar, die noch geöffnet ist, und kommt mit einem Löffel wieder.
Dann dackel ich zurück zu den Ständern mit den Wechselbeuteln. Diese stehen etwas ungewöhnlich. Zum einen stehen die Ständer für die Laufbeutel so, dass man nicht einfach daran vorbei laufen kann und zum anderen sind die Positionen der Beutel für Lauf- und Radbeutel unterschiedlich. Nachdem ich alle Utensilien verstaut habe, ziehe ich mir den Neo an. Es ist noch eine halbe Stunde bis zum Start.
Wo muss man eigentlich den After-Race-Beutel abgeben?
Die Ständer dafür befinden sich am komplett anderen Ende der Wechselzone. Also nochmal durch die ganze Wechselzone. Ein Kilometer später sind es nur noch 15 Minuten bis zum Start. Ich werde dann doch etwas nervös und beeile mich an den Strand zu kommen.
Ironman Lanzarote 2023 – Schwimmen
Im Startblock stelle ich mich in den Bereich für die Schwimmer mit einer Zielzeit von 60 Minuten. Auch Lanzarote wurde mittlerweile auf einen Wellenstart umgestellt.
Nachdem die Handvoll Profi-Männer und -Frauen gestartet sind, geht das Rennen der Age-Grouper los.
Dann geht es für mich ins Wasser. Ich laufe über den Strand ins spiegelglatte Meer. Das Wasser ist hier recht flach und man muss 20 Meter durch knietiefes Wasser laufen, bevor man endlich anfangen kann zu schwimmen. Ich komme in einen guten Rhythmus und kann von Anfang an frei schwimmen und mich in einer kleinen Gruppe halten. So schaffe ich es, einige Schwimmer vor mir zu überholen.
Irgendwann haut mir dann der Schwimmer neben mir ziemlich unsanft auf die Brille. Ich entscheide mich, ihn vorbei zu lassen und hänge mich an seine Füße. So kann ich Kraft sparen und er kann uns den Weg frei boxen.
Die Strecke besteht aus zwei Runden mit je 1900 Metern unterbrochen von einem kleinen Landgang, dem sogenannten “Australien Exit”.
Also wieder gut 20 Meter durch flaches Wasser laufen, dann den Strand hoch, um die Wendemarke und wieder zurück ins Wasser. Das ist ziemlich anstrengend und ich bin froh, wieder ins kühle Nass zu springen, denn im Neo ist es mir durch den kleinen Landgang ziemlich warm geworden.
Auch die zweite Runde schwimmt sich sehr gut. Der Kurs entlang der Küste ist wirklich einfach zu schwimmen. Als ich aus dem Wasser komme und auf die Uhr blicke, kann ich es kaum glauben. Ich bin unter einer Stunde geschwommen. Das habe ich noch nie geschafft. Ich bin richtig glücklich über den perfekten Start in den Renntag.
Wechselzone mit Schrecken
Ich renne den Strand nach oben zur Wechselzone. Dort brüllt mich Michelle an: “Dein Chip funktioniert nicht! Du bist nicht gestartet! Du musst dir einen anderen Chip besorgen!”.
Mein emotionales Hoch bekommt direkt einen Dämpfer. Ich spreche einen Race-Offiziellen auf mein Problem an. Er zeigt ziemlich teilnahmslos in eine Richtung. Ich renne dorthin. Doch dort schauen mich alle nur mit großen Augen an und zucken mit den Schultern. Niemand versteht mich. Ich renne etwas ratlos hin und her, doch niemand hilft mir. Mittlerweile bin ich ziemlich angepisst.
Ich entscheide mich einfach zu starten und nicht noch mehr Zeit sinnlos zu vergeuden. Den Bonus der guten Schwimmzeit habe ich schon verspielt. Gute zwei Minuten hat mich der Spaß gekostet.
Ich renne zu meinem Rad, nehme es vom Ständer und laufe zum Ausgang. Auf dem Weg dorthin brülle ich jeden Helfer und Offiziellen an, doch keiner von denen scheint Englisch zu sprechen oder gewillt zu sein, mir zu helfen. Mittlerweile fluche ich aus Wut laut vor mich hin.
Was für ein Scheiß.
Ironman Lanzarote 2023 – 180 Kilometer über die Insel
Es geht aufs Rad. Ich tobe innerlich. Was mache ich denn jetzt? Es wäre ja schon richtig scheisse, das Rennen ohne offizielle Zeit zu beenden.
Da ich das Problem allerdings aktuell nicht lösen kann, beschließe ich mich erstmal aufs Radfahren zu konzentrieren.
Wenn es am Ende so kommt, dann ist das eben so. Ich mache das hier ja in erster Linie für mich.
Den ersten Teil der Strecke kenne ich ja schon. Doch im Gegensatz zum Training kann ich heute direkt in die Aeroposition gehen. Wenig Wind, gesperrte Straße und der Blick auf die Radfahrer vor mir geben mir Sicherheit.
Es kommt der erste längere Anstieg über eine kleine Seitenstraße. Die Wattleistung springt in den tiefroten Bereich. Aber irgendwie muss man ja hier hoch.
Auf den langen Abfahrten versuche ich lange in Aeroposition zu verharren, wechsel aber dann meist doch lieber in den Oberlenker, denn Windböen gibt es auch heute. Für solche Geschwindigkeiten auf den Aufliegern fehlen mir einfach die Nerven.
Auf dem Weg zum Vulkanpark geht es einen kurzen Abstecher nach Yaiza und nach einer 180° Wende wieder zurück. Ich sehe, dass ein Motorrad mit einem Wettkampfrichter hinter mir fährt. Als er zu mir aufschließt, mache ich auf mich aufmerksam und erkläre ihm das Problem mit meinem Chip. Er nickt, notiert meine Startnummer und sagt: “No worry, go on!”.
Trotzdem achte ich beim Überqueren jeder Zeitnahme darauf, ob die Elektronik piept, was ein Signal ist, dass ich registriert wurde. Ich bilde mir ein, dass es manchmal funktioniert und manchmal nicht. Egal, ich kann es sowieso nicht ändern.
Timanfaya
Es geht durch den Nationalpark Timanfaya rund um den Feuerberg. Die Vulkanlandschaft ist atemberaubend und ich versuche das hier zu genießen. Diese Landschaft ist so unwirklich, rau und lebensfeindlich. Das perfekte Setting für unseren Sport.
Ich habe auch noch nie ein so faires Rennen gesehen. Bei nur gut tausend Startern auf einem 180 Kilometer Kurs, der mit weit über 2500 Höhenmetern sehr selektiv ist, kämpft jeder für sich alleine. Ich sehe keine einzige Gruppe, die den Windschatten Abstand nicht einhält.
Nach der Runde durch den Nationalpark geht es auf welliger Strecke gegen den Wind Richtung Osten. Flache Abschnitte gibt es auf diesem Kurs nicht.
Durch den gemäßigten Wind kann ich recht entspannt fahren. Das sah ja bei den Trainingsfahrten ganz anders aus, als ich noch krampfhaft das Rad in der Spur halten musste.
Auf meinem Radtacho werden mir 30 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit angezeigt. Das ist mein insgeheimes Ziel für den Radkurs.
Dann macht die Strecke einen Schlenk über Teseguite hinunter nach Tahíche und natürlich auch wieder hoch.
Zum Mirador del Rio
Es folgt der härteste Teil der Strecke. Es geht 15 Kilometer bergauf nach Haria. Über weite Teile mit mehr als 5% Steigung und zum Teil weit über 10%. Ich fahre stellenweise mit 400 Watt und 9 km/h den Berg hinauf. Das sind Leistungsbereiche, die man auf einer Langdistanz eigentlich tunlichst vermeiden sollte. Hier gehören sie zum guten Ton.
Nach dem Erreichen des Gipfel geht es eine steile Serpentinen Abfahrt hinunter, die ich mehr schlecht als recht runterfahre. An mir donnert jemand auf seinem Auflieger vorbei. Er nimmt mir auf der Abfahrt locker einen Kilometer ab und hat dafür wahrscheinlich kein einziges Watt mehr investiert.
Das ist auf dieser Strecke ein enormer Faktor. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mit Streckenkenntnissen und besserer Radbeherrschung locker 15 Minuten schneller wäre, ohne auch nur ein Watt mehr zu treten.
Der Anstieg nach Haria war allerdings noch nicht alles. Nach der Abfahrt geht es nochmal über 6 Kilometer hoch zum Mirador del Rio. Stellenweise mit über 14% Steigung.
Doch als sich der Ausblick vom Mirador del Rio öffnet, sind die Strapazen kurz vergessen. Es ist unfassbar schön. Der Panoramablick auf die weit unten liegende Insel La Graciosa, die im sonnig funkelnden Meer liegt, ist einfach atemberaubend.
Oben angekommen bin ich einfach nur froh, dass der anstrengendste Teil nun hinter mir liegt. Mit Vollgas geht es nun erstmal bergab bis runter an die Küste.
In der Zwischenzeit ist meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf 28 km/h gefallen.
Die letzten 70 Kilometer
Doch wo es runter geht, geht es auch wieder hoch. Wir fahren die Strecke zurück bis Tequise und dann den Weg, den wir gekommen sind. Die Strecke ist mittlerweile sehr leer. 500 Meter vor mir sehe ich noch einen Fahrer. Hinter mir ist niemand zu sehen.
Ich habe Schmerzen in der Hüfte und muss immer mal wieder in den Oberlenker. Die Strecke fordert ihren Tribut. Wind, Steigung und der zum Teil sehr raue Asphalt zehren an meinen Kräften.
Ich habe auf den Geraden Probleme, die Leistung aufs Pedal zu bringen. In den Anstiegen habe ich keine andere Wahl. Trotzdem ist meine durchschnittliche Leistung etwas niedriger als geplant.
Nach gut 150 Kilometern sind wir fast wieder in Puerto del Carmen. Man müsste einfach nur den Berg runterrollen, aber das wäre ja zu einfach und so geht es nochmal hoch in den Vulkanpark und nach einer 180° Kehre wieder runter.
So habe ich aber die Chance zu sehen, wer so vor mir ist und ich kann sogar noch ein paar Plätze gut machen.
Meine Durchschnittsgeschwindigkeit nähert sich beharrlich der 30er Marke. Das motiviert mich nochmal Druck zu machen und so rausche ich ins Tal und dem Ziel entgegen.
Als es die letzten Meter entlang der Promenade geht, werde ich frenetisch angefeuert. Die Flaniermeile von Puerto del Carmen ist voller Menschen, die richtig Alarm machen. Das ist nach fast 6 Stunden Einsamkeit ein heftiger Kontrast.
Ich steige vom Rad. Ich habe die 180 Kilometer mit 30,2 km/h bewältigt und bin damit knapp unter 6 Stunden geblieben. Ziel erreicht.
Ironman Lanzarote 2023 – Marathon in der Hitze
Als ich mit dem Rad in der Hand die ersten Meter zu meinem Stellplatz laufe, merke ich, dass meinem Rücken die aufrechte Haltung gar nicht gefällt. Er ist total steif und die Schritte tun weh.
Ich hänge das Rad weg und laufe zu meinem Wechselbeutel. Das Laufen fühlt sich nicht so richtig gut an.
Ich schlüpfe in die Laufschuhe und es geht zurück durch die gesamte Wechselzone zum Ausgang und auf die Laufstrecke. Wie oft muss man eigentlich noch durch diese ellenlange Wechselzone laufen?
Ich halte Ausschau nach Michelle, kann sie aber nicht entdecken. Ich wüsste gerne, ob mein Tracker funktioniert. Aber vielleicht ist genau das das Problem und sie weiß gar nicht, wo ich bin?
Die Schritte fallen mir schwer, ich versuche trotzdem in meinem Zielbereich zu laufen. Es geht die erste Steigung nach oben. Das tut weh.
Auf der ersten Runde
Mir kommt Sam Laidlow entgegen. Er läuft auf der, von ihm aus gesehen, linken Seite, also auf meiner Spur, und deutet mir an, dass ich aus dem Weg gehen soll. Als auch die Fahrer der Begleiträder mit den Armen fuchteln, gehen ich auf die linke Spur.
Ich verstehe den Sinn zwar nicht so ganz, aber wenn es so ist, dann ist es eben so. An der ersten Verpflegungsstation wird mir bestätigt, dass man hier läuft, wie man in England Auto fährt. Das Ergebnis ist totales Chaos auf der Strecke.
Am Himmel ist keine Wolke und die Sonne knallt unbarmherzig auf uns herab. Auch wenn die Temperatur im Schatten moderat ist, in der Sonne ist es wie in einem Glutofen. Die Sonne hat eine ungeheure Kraft. Die unzähligen Engländer mit Sonnenbrand des Todes an der Promenade belegen dies.
Nach knapp 4 Kilometern passiere ich unser Hotel.
Anstatt weiterhin auf dem Radweg der Promenade zu laufen, geht es hier kurz eine Abzweigung runter an den Strand und wenige Meter später wieder hoch auf den Radweg. Diese Senke tut unfassbar weh. Welcher Menschenfeind hat diesen Kurs geplant?
Als ich die Senke wieder hoch trabe, treffe ich endlich Michelle. Meine Zeitmessung funktioniert. Ich liege auf Platz 6 mit acht Minuten Rückstand auf den Fünften und über 18 Minuten Rückstand auf das Podium. Das ist ein Dämpfer. Ich hatte ja schon mit dem Podium geliebäugelt, aber 18 Minuten sind eine Menge Holz. Außerdem fühle ich mich nicht so, als könnte ich hier noch einen richtig schnellen Marathon laufen. Die Radstrecke fordert ihren Tribut.
Richtung Arrecife
Es geht am Flughafen vorbei. Die Sonne brennt. Die gesamte Strecke hat absolut keinen Schatten. Ich merke schon, dass das ein harter Lauf wird. Erinnerungen an Barcelona blitzen auf. Ich schiebe den Gedanken beiseite und denke lieber an Vichy, wo ich auf der Laufstrecke noch richtig viel Zeit aufholen konnte.
Ich teile mir die Strecke mental in kleine Abschnitte ein. Das nächste Ziel ist der Wendepunkt vor Arrecife. Danach geht es mit Rückenwind zurück nach Puerto del Carmen. Die ersten 12 Kilometer sind geschafft. Aber auch ich bin geschafft.
Die Laufstrecke ist noch sehr leer. Keine Läufer, an deren Fersen ich mich heften kann. So bleibt nur die Uhr und das Festhalten an den Zahlen, die diese anzeigt.
Ich passiere Michelle. Sie versucht mich zu motivieren. Ich habe eine Minute auf den vor mir Platzierten gut gemacht. Nicht die Welt, aber auf der Laufstrecke kann es ganz schnell gehen. Wenn man stehen bleibt, dann ist ein Vorsprung von einigen Minuten auch ganz schnell dahin.
Aber ich muss selbst immer öfter gehen, um mich in den Verpflegungsstationen mit Wasser und Eis zu versorgen. Mein Körper kocht. Runterkühlen funktioniert nicht mehr so wirklich. Sich mit Eis das Gesicht abzureiben, tut unfassbar gut.
Es geht wieder am Hotel vorbei, durch die Senke der Hölle. Dann geht es sehr wellig über die Promenade und vor dem Wendepunkt am Ziel ordentlich den Hang hoch.
Mir komme unzählige Läufer auf der “falschen” Seite entgegen, da es ihnen wie mir geht und sie nach dem Abstieg vom Rad nicht wissen, dass man hier links laufen soll. Das ist wirklich sehr schlecht gelöst und sorgt für totale Verwirrung.
Zweite Runde
Ich bekomme mein erstes Rundenband. Die große Runde ist geschafft. Jetzt fehlen nur noch zwei kleine Runden mit jeweils 9 Kilometern.
Wieder über die wellige Promenade. Jeder Anstieg tut weh. Ich lasse ordentlich Federn und muss meine Pace nach unten korrigieren, beziehungsweise korrigiert sie sich von selbst, denn ich kann einfach nicht mehr schneller.
Ich nehme jetzt jede Verpflegungsstelle als Gelegenheit um zu gehen. Mir ist doch egal, ob ich 5er oder 10er werde. Eigentlich könnte ich mich doch auch kurz mal hier in den Schatten setzen.
Michelle versucht mich weiter anzutreiben. Ich habe wieder etwas Zeit gut gemacht. Ich habe nur noch Kraft zum Jammern.
Doch wenn ich stehen bleibe, dauert das Elend ja nur noch länger. Also laufe ich.
Ich komme wieder an die Senke. Ich verfluche den Streckenplaner. Diesmal gehe ich die Rampe hoch.
Dann die Wende und wieder zurück das Ganze. Michelle feuert mich an. Platz 5 ist nur noch Sekunden vor mir und er geht offenbar. Ich passiere ihn kurz darauf und nehme mir vor, den Platz zu verteidigen.
An der Wende hole ich mir das zweite Band und gehe auf die letzte Runde.
Zum Ziel des Ironman Lanzarote
Kurz darauf werde ich von einer Profi-Triathletin überholt und hefte mich an ihre Fersen. Ich will an ihr dranbleiben. Das ist für den Kopf einfacher, wenn man jemandem hinterherlaufen kann. Das klappt auch ganz gut. Aber kurz vor der Wende muss ich dann doch nochmal an der Verpflegung stehen bleiben und Eis nachladen.
Der Rückweg ist dann wie in Trance. In meinem Kopf läuft Motivationsmusik. Ich schließe wieder auf die Profi-Frau auf und ziehe an ihr vorbei. Ich passiere Kilometer 40.
Dann noch ein Kilometer.
Ich sehe die letzte Steigung hoch zum Zielbogen. Tut das weh. Vom Zielkanal nehme ich nichts mehr wahr, reiße aber noch die Arme hoch und bleibe hinter der Ziellinie nach vorn gebeugt stehen. Ich habe es geschafft. Ich habe den Ironman Lanzarote bezwungen.
Die Helfer reichen mir Wasser, das ich über mich giesse. Ich kann keinen Schritt mehr machen. Nie wieder. Ich stehe einfach nur gebeugt da. Keine Kraft mehr.
After Race
Nach einer gefühlten Ewigkeit tapse ich 5 Meter weiter und lasse mich auf das Siegerpodest sinken, das dort am Rand steht, und bleibe dort sitzen.
Michelle ruft mich. Ich gehe zu ihr und lasse mich vor ihr am Zaun auf eine Stufe sinken.
Helfer bringen mir Cola und eine Rettungsdecke. Trotz der Sonne fange ich an zu zittern.
Mir ist saukalt. Eben noch fast verglüht und jetzt zitter ich wie ein Schneider.
Ich raffe mich auf, um mich umzuziehen. Raus aus den nassen Sachen. Meine Füße sind mal wieder total zerschunden.
Draußen falle ich Michelle in die Arme. Ich bin absolut leer, setzte mich auf den Bordstein und zittere trotz Pulli, Rettungdecke und strahlendem Sonnenschein weiter. Michelle besorgt noch zwei Dosen Cola und so sitze ich einfach nur da. Ich glaube, ich habe einen leichten Sonnenstich.
Eine letzte Tortur steht mir noch bevor. Ich muss meine Sachen aus der Wechselzone holen und dann die knapp 4 Kilometer zum Hotel laufen.
Ich laufe wieder durch die gesamte Wechselzone und hole meine Wechselbeutel. Dann geht es ein letztes Mal zurück. Ich hole mein Rad.
Michelle und ich tapsen an der Laufstrecke entlang Richtung Hotel. Neben uns geht das Leiden weiter und ich bin so froh, dass ich das hinter mir habe.
Lanzarote hat den Titel des härtesten Ironman redlich verdient.
Fazit zum Ironman Lanzarote
Das Rennen lief eigentlich ganz gut für mich. Das Schwimmen war perfekt.
Die Aktion mit dem defekten Chip hat mich am Ende den vierten Platz gekostet. Das ärgert mich jetzt nicht wirklich. Wäre es das Podium gewesen, wäre ich wahrscheinlich stinksauer.
Meine Leistung auf dem Rad war solide, da gibt es auch nichts zu meckern.
Lediglich mit meinem Lauf bin ich nicht glücklich. Ich konnte wieder nicht sauber durchlaufen und bin doch deutlich hinter meinen persönlichen Erwartungen geblieben. Wäre mein Plan aufgegangen, dann wäre ein Platz auf dem Podium möglich gewesen.
Woran es lag, kann ich nicht genau sagen. Aber ich schätze, dass ich mich einfach noch nicht gut genug an die Temperaturen angepasst habe und die vielen Leistungspitzen auf dem Rad zuviel Körner gekostet haben.
Aber immerhin bin ich im Gegensatz zu Sam Laidlow im Ziel angekommen, der offenbar einen Hitzschlag kassiert hat.
Von den ursprünglich über 1100 Startern sind am Ende nur knapp 850 ins Ziel gekommen. Ich glaube, kein anderer Ironman hat ein so hohe DNF-Quote von über 22%. Das sagt wohl alles.
Den Ironman Lanzarote kann ich auf jeden Fall genüsslich von meiner ToDo-Liste streichen. Hartes Ding. Man muss ihn mal gemacht haben, aber einmal reicht mir dann auch.
Den Titel „härtester Ironman der Welt“ hat er nicht ganz unverdient.
Strava Aktivitäten zum Ironman Lanzarote 2023: swim – bike – run
Infos zum Ironman Lanzarote auf der Veranstalter Webseite
Den Bericht zu meiner Vorbereitung auf den Ironman Lanzarote könnt ihr hier nachlesen.