Der Kopenhagen Halbmarathon ist einer der größten in Europa und bietet dazu eine super schnelle Strecke, auf der auch schon ein Weltrekord gelaufen wurde. Außerdem ist das Rennen Teil der SuperHalfs-Serie, was die Attraktivität für viele Hobbyläufer noch einmal steigert.
Eigentlich ist die Halbmarathon-Strecke nicht unbedingt meine große Leidenschaft. Das sieht man schon alleine daran, dass ich mehr als doppelt so viele Marathon wie Halbmarathon gelaufen bin.
Aber wenn man für einen so beliebten Halbmarathon einen Startplatz geschenkt bekommt, dann ist es natürlich keine Frage, dass ich – nach Berlin – auch den Kopenhagen Halbmarathon laufe.
Beim Berliner Halbmarathon haben Michelle und ich, zusammen mit Nina und Heiko, vier Startplätze für den Kopenhagen Halbmarathon bei einer Aktion von Nike gewonnen.
So war dann auch direkt klar, dass wir zusammen die Reise in die dänische Hauptstadt antreten werden. Ein Airbnb war schnell gefunden und so war der Roadtrip für Mitte September fix.
Nachdem ich beim Firmenlauf Mainz, nur eine Woche vor Kopenhagen, eine neue persönliche Bestzeit über 5000 Meter gelaufen bin, kam bei mir der Gedanke auf, dass ich das ja auch über die Halbmarathon Distanz versuchen könnte.
Zu schlagen waren 1:15:22, die ich beim Frankfurter Halbmarathon 2020 gelaufen bin.
Meine Garmin Uhr sagte mir eine Zeit von 1:17:02 voraus und auch mein Coach lag mit seiner Einschätzung bei 1:16 bis 1:17. Eine Bestzeit würde laut Prognosen also schwierig werden.
Auf der anderen Seite hatte ich nichts zu verlieren und eine bessere Gelegenheit als der Kopenhagen Halbmarathon würde sich so schnell nicht mehr bieten. Außerdem werde ich ja auch nicht jünger.
Somit stand für mich das Ziel fest, dass ich auf Bestzeit laufen wollte.
Ich hatte mich schließlich auch für den Startblock mit einer Zielzeit unter 1:16 angemeldet. Damit war ich ja quasi dazu gezwungen, den Versuch zu starten.

Roadtrip nach Kopenhagen
Am Donnerstag vor dem Rennen ging es für Michelle und mich auf die erste Etappe nach Hamburg, von wo aus es dann am nächsten Tag zusammen mit Nina und Heiko weiter nach Kopenhagen ging.
Zwei Tage mit jeweils sechs Stunden Autofahrt für knapp 90 Minuten Laufspaß lassen mich ein bisschen an meinem Verstand zweifeln. Auf der anderen Seite haben wir schon viele solcher Mammut-Touren zu Spielen des FC St. Pauli gemacht. Man muss es sich nur irgendwie schönreden.
In Kopenhagen angekommen, reichte es dann auch nur noch für einen kurzen Aktivierungslauf.


Kopenhagen Halbmarathon Expo
Am Samstagmorgen sind wir dann mit Stadträdern zur Expo geradelt, um unsere Startnummern abzuholen. Das Fahrrad ist in Kopenhagen die mit Abstand praktischste und schnellste Art sich fortzubewegen.
Zusätzlich zur Startnummer gab es dann noch einen Beutel zur Kleiderabgabe, der erfreulicherweise mal keine einfache Plastiktüte war, sondern ein ganz brauchbarer Jutebeutel. Dazu gab es für die Frauen ein Funktionsshirt mit einem etwas merkwürdigen Schnitt und für die Männer ein normales T-Shirt.
Eigentlich finde ich es ganz nett, dass es nicht das x-te Polyester-Shirt gab, das irgendwo im Schrank verschwindet, allerdings war die kleinste Größe, die man auswählen konnte, medium, was bei mir dann schon mehr ein Sack ist.
Vor dem Eingang zum Ausstellerbereich hatte sich eine kleine Schlange gebildet und die Wartezeit wurde uns mit Red Bull und Carlsberg 0% versüßt. Die Werbemessage von Carlsberg, „probably the best beer in the world” würde ich kurz und knapp mit “not even close” beantworten.
Die Messe an sich war auch eher unspektakulär und schnell abgehakt, so dass wir uns dem Mittagessen zuwenden konnten.


Der Kopenhagen Halbmarathon
Am nächsten Morgen standen wir pünktlich auf, um den Schwimmstart der Ironman-Weltmeisterschaft in Nizza auf Youtube zu verfolgen.
Nach meinem mittlerweile typischen Raceday Frühstück – Kaffee und Maurten Solid Riegel – ging es dann wieder mit den Leihrädern, die überall in Kopenhagen verteilt sind, zum Start.
Die Sonne strahlte und es hatte den Anschein, also würde das ein toller Tag zum Laufen werden.

Das Eventgelände befindet sich auf einer riesigen Wiese im Fælledparken. Wir ließen uns in der Nähe unserer Beutelabgabe auf dem Rasen nieder und schauten ein wenig die Ironman Weltmeisterschaft auf meinem Handy, um uns die Zeit bis zum Start zu vertreiben.
Plötzlich bemerke ich die dunkle Wolkenwand am Horizont, die sich schnell nähert. Das sieht gar nicht gut aus. Ein Blick in die Wetter-App bestätigt unsere Befürchtung. Das wird gleich richtig ungemütlich.
Damit zumindest unsere Wechselkleidung trocken bleibt, ziehen wir uns so schnell wie möglich um und geben unsere Beutel ab. Zum Glück gibt es Ponchos aus Folie, die zumindest etwas warm halten.
Kaum sind wir fertig, setzt auch schon der Regen ein, gefolgt von Donnergrollen und Gewitter. Der Himmel öffnet seine Schleusen und es schüttet aus Eimern.
Wieder einmal ein Regenrennen
Wie viele andere auch machen wir uns im Laufschritt auf in Richtung Startbereich. Im Park ist man durch die Bäume zumindest etwas geschützt. Viele haben sich unter Bäume oder andere Unterstände gekauert, um dem Regen zumindest etwas zu entgehen.
Die Wege sind innerhalb kürzester Zeit aufgeweicht und ich habe bereits nach wenigen Minuten Sand im Schuh.
Warum muss das Wetter ausgerechnet jetzt und heute umschlagen? Meinem Ziel, eine Bestzeit zu laufen, sind diese Bedingungen nicht unbedingt zuträglich.
Erinnerungen an den Frankfurt Marathon 2023 werden wach, wo bei ähnlichem Wetter vor allem die nassen Straßen in den Kurven ein echtes Problem waren und definitiv einiges an Zeit gekostet haben. Auf der anderen Seite hat es damals auch zu einer neuen Bestzeit gereicht.
Ich verabschiede mich von unserer Reisegruppe und begebe mich in meinen Startblock. In 30 Minuten geht es los.
Ich kauere mich an eine Hauswand, wo es zumindest etwas trockener ist, dann laufe ich mich noch kurz warm und gehe dann in den Startbereich..
Um eine Startnummer für den ersten Startblock zu erhalten, musste man bei der Anmeldung einen Zeitnachweis vorlegen, der belegt, dass man schon einmal eine Zeit in diesem Bereich gelaufen ist. Bei vielen Veranstaltungen ist es leider so, dass man sich ohne Validierung für einen beliebigen Block anmelden kann, was dann dazu führt, dass sich viele in die vorderen Blöcke stellen, die dort eigentlich nicht hingehören und die schnelleren Läufer blockieren.
Leider klettern in Kopenhagen einige über die Absperrgitter und quetschen sich in den ersten Block, obwohl sie dort ganz offensichtlich nichts zu suchen haben. Man muss es nicht verstehen.

Startschuss
Dann fällt der Startschuss und es geht los.
Es regnet nicht mehr ganz so arg, aber ich bin bereits komplett durchnässt und ich frage mich, warum ich die Sonnenbrille mitgenommen habe.
Die Straßen sind zwar nass und von den Läufern vor mir spritzt mir die Gischt ins Gesicht, aber der Asphalt ist zum Glück nicht so rutschig wie in Frankfurt, so dass sich auch die Kurven gut laufen lassen.


Mein Tempo liegt zu Anfang etwas über dem Soll, aber ich versuche erstmal an den Gruppen, die sich bilden, dranzubleiben, auch wenn diese im Zweifel etwas fixer unterwegs sind. Es dauert immer eine Weile, bis sich das Feld sortiert und eingependelt hat..
Der Vorteil einer so großen Veranstaltung mit gut 30.000 Startern ist, dass auch sehr viele schnelle Leute am Start sind. Ein Blick in die Ergebnisliste des Vorjahres hat mir gezeigt, dass ich mit einer Zeit von 1:15:00 ungefähr auf Platz 500 landen würde. Mit dieser Zeit wäre man in Frankfurt oder selbst in Berlin deutlich weiter vorne.
So ist es zwar krass, aber nicht verwunderlich, auf der ersten längeren Geraden zu sehen, wie viele Läufer vor mir sind.

Auf PB Kurs
Die ersten 5 Kilometer vergehen wie im Flug und ich nehme mein erstes Maurten Gel mit Koffein. Zeitlich liege ich sehr gut und die Prognose meiner Zielzeit, die mir die Garmin anzeigt, liegt deutlich unter 1:15.
Doch es wird langsam immer schwerer, das Tempo zu halten, und das geht nicht nur mir so, denn meine Gruppe wird ein wenig langsamer und beginnt sich aufzulösen. Das sind die entscheidenden Momente im Rennen. Es gilt, solche Verlangsamungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend schnell zu reagieren. Ist eine Lücke erst einmal entstanden, dann kostet es sehr viel Kraft, diese wieder zu zulaufen..
Auch mental sind das die härtesten Momente im Rennen. Bleibe ich in der Gruppe oder laufe auch ich etwas langsamer und lasse abreißen? Gebe ich dem Schmerz nach und lasse mein Ziel sausen? Oder beiße ich die Zähne zusammen und laufe noch härter, um die Lücke zu schließen und am schnelleren Teil der Gruppe dran zu bleiben?


Halbzeit beim Kopenhagen Halbmarathon
Bei Kilometer 10 rutscht meine Vorhersage zum ersten Mal über die Marke von 1:15. Nur noch 19 Sekunden Puffer auf meine Bestzeit und es ist noch nicht mal die Hälfte der Strecke geschafft. Mich überkommen starke Zweifel, ob ich dieses Tempo bis zum Ziel halten kann.
Bis Kilometer 15 kann ich mich zumindest soweit durchbeißen, dass die Vorhersage weiterhin unter meiner Bestzeit liegt, auch wenn es teilweise nur noch wenige Sekunden sind. Ich nehme mein zweites Gel.
Aber es sind jetzt nur noch sechs Kilometer bis zum Ziel. So nah komme ich einer persönlichen Bestzeit wahrscheinlich nie wieder. Ich treffe die Entscheidung, dass ich alles versuche, um sie zu erreichen.

Ab diesem Punkt kann ich eigentlich nicht mehr viel zu dem Rennen schreiben, da ich nur noch im Tunnel hinter anderen Läufern hergelaufen bin. Immer den Blick auf die Uhr, die Pace und die vorhergesagte Zielzeit. Ich nehme weder Notiz von der Strecke, noch von den zahlreichen Zuschauern, die trotz des Sauwetters an die Strecke gekommen sind.
Ich weiß nicht wie, aber irgendwann bin ich auf der Zielgerade, an deren Ende in unendlicher Entfernung der Zielbogen leuchtet. Nochmal alles rausholen was geht, jede Sekunde zählt, Puls und Atmung am Anschlag.
Dann endlich die Ziellinie, Uhr abstoppen und der bange Blick. 1:14:50! Krass, ich habe meine bisherige Bestzeit nicht nur unterboten, nein, ich habe sie quasi pulverisiert.


Eine PB mit Folgen
Es ist verrrückt, aber im Nachhinein frage ich mich immer, wie ich das geschafft habe. Auch im Training kommt es mir oft vollkommen surreal vor, dass ich jemals solche Zeiten gelaufen bin und immer noch laufen – ja sogar noch verbessern – kann. Manchmal glaube ich, ich habe das Imposter-Syndrom.
Das Wetter lädt nicht zum Verweilen ein und so mache ich mich zügig auf den Weg zu meinem Kleiderbeutel, jedoch nicht ohne die PB-Glocke zu läuten. Das musste sein.
Kopenhagen scheint für mich ein gutes Pflaster zu sein, nach der persönlichen Bestzeit beim Ironman Kopenhagen, nun auch eine beim Kopenhagen Halbmarathon
Da noch nicht viel los ist, kann ich mich zum Glück im Zelt, in dem die Beutel aufbewahrt werden, umziehen, denn es gibt sonst weit und breit keinen Schutz vor dem Regen.

Endlich wieder in trockenen und warmen Klamotten schnappe ich mir ein Stadtrad, das direkt hinter dem Wechselzelt steht und mache mich schleunigst auf den Weg in unser Appartement.
Der Weg dorthin gestaltet sich zwar etwas schwieriger, da mir die Laufstrecke mehrfach den Weg versperrt, aber immerhin hört es auf zu regnen.
In der Wohnung angekommen, gehe ich erst einmal heiß duschen, um es mir dann mit einigen Getränken auf der Couch gemütlich zu machen und den Ironman weiter zu verfolgen.
Die Ruhe ist für meinen Körper dann aber offenbar auch das Signal komplett herunterzufahren. Mir wird kalt und ich bekomme Schüttelfrost.
Das war heute wohl etwas über dem Limit.
Zwei Stunden später, nach einer weiteren heißen Dusche, einer Handvoll Salz, einem Liter Tee und etwas Schlaf geht es mir wieder besser. Doch es braucht noch etwas Zeit und eine Pizza, bis ich wieder einigermaßen hergestellt bin.
Aber das war es wert!

Strava Aktivität zu diesem Rennen
Infos zum Kopenhagen Halbmarathon auf der Veranstalter Webseite