Dash to the Finish Line
Am morgen vor dem New York City Marathon findet der 5 Kilometer “dash to the finish line”-Lauf statt.
Es geht vom UNO Hauptquartier durch die Häuserschluchten Manhattans, vorbei an der Grand Central Station und dann über die 6th Avenue in den Central Park zur Ziellinie des New York City Marathon.
Logistisch etwas schwierig, da die Gepäckabgabe am Ziel ist. Das heißt, entweder morgens sehr früh zum Ziel, Beutel abgeben und dann 45 Minuten zum Start laufen oder mit der U-Bahn direkt zum Start fahren. Wir entschieden uns lieber etwas länger zu schlafen und in unseren Laufsachen direkt zum Start zu fahren. Das Problem ist nämlich, dass es morgens in New York verdammt kalt ist. Der Wind, der durch die Straßen pfeift, macht es noch unangenehmer. Zum Glück hatten wir genug alte Pullis mitgenommen, die man am Start in die Altkleidersammlung entsorgen kann. So blieben wir einigermaßen warm.
Weit über 10000 Läufer sammelten sich in der morgendlichen Sonne am East River um dann in mehreren Wellen auf die Strecke zu gehen.
Wenn auf den Straßen keine Autos fahren, merkt man erstmal wie breit diese sind. Trotz der Menschenmenge hat man super viel Platz zum Laufen.
Ich lief zusammen mit Michelle und wir ließen es sehr locker angehen. Just for fun. Genießen und ein paar Fotos schießen.
Ist schon sehr geil auf das Empire State Building zuzulaufen, während sich die aufgehende Sonne in den Glasfassaden spiegelt.
Zuschauer gab es kaum am Streckenrand, so dass es recht ruhig war. Das hat aber auch seinen Reiz.
Nach einer kleinen Schleife durch den Central Park gelangt man dann auf die letzten Meter der Marathonstrecke. Und ich muss sagen, dass ich vom Zieleinlauf des größten Marathon der Welt schon etwas enttäuscht war. Verglichen mit Boston, Berlin, London oder auch Frankfurt ist er wirklich unspektakulär.
Nach dem Lauf bekommt man noch eine kleine Tüte mit etwas Verpflegung in die Hand gedrückt. That’s it. Ach ja, eine schicke Pudelmütze bekommt man auch noch, die den stolzen Startpreis von 50$ noch etwas relativiert.
Wenn man beim New York City Marathon startet, dann sollte man den “dash to the finish line” nicht verpassen. Denn was man beim Marathon nicht geboten bekommt, ist der Lauf durch die Straßen von Manhattan! Und alleine das ist es allemal wert!
Der lange Weg zum Start
Am Abend vor dem New York City Marathon fallen wir schon früh total erschöpft ins Bett.
In New York läuft man sich die Füße wund. Es gibt so viel zu sehen und so kommen schnell einige Kilometer zusammen, auch wenn man die U-Bahn nutzt. Das ist natürlich nicht die optimale Vorbereitung auf einen Marathon, aber das war uns vorher schon klar.
Der Wecker klingelt um kurz vor 4 und das obwohl unser Start erst um 10:30 ist. Verrückt, aber leider notwendig, denn der Weg zum Start ist weit. Dank der nächtlichen Zeitumstellung haben wir wenigstens eine Stunde Schlaf geschenkt bekommen (Lustig, denn das Gleiche war ja die Woche zuvor beim Frankfurt Marathon auch der Fall).
Wir ziehen uns an, frühstücken und fahren dann die erste Etappe mit dem Bus zur Metro um mit dieser zur Staten Island Ferry zu fahren. Natürlich fahren wir erstmal in die falsche Richtung. Die New Yorker U-Bahn ist wirklich nicht so einfach zu durchschauen. Ist aber halb so schlimm, denn auf die richtig Bahn mussten wir sowieso noch 20 Minuten warten.
So kommen wir um 6 Uhr an der Fähre an. Im Dunkeln strömen die Läufer zum Anleger.
Im Vorfeld wurde man festen Fähren zugeordnet, was jetzt aber zum Glück keinen mehr interessierte und wir eine etwas spätere Fähre nehmen konnten.
Die Überfahrt nach Staten Island ist immer wieder spektakulär. Doch am Marathon-Morgen war es etwas ganz besonderes. Eine riesige Fähre voll mit Sportlern, der Blick auf Manhattan, die Fahrt vorbei an der Freiheitsstatue und die aufgehende Sonne über Staten Island und der Verrazano Bridge. Das ganze begleitet von Booten der Coast Guard, in amerikanischer Manier natürlich mit Maschinengewehr bestückt.
Was für eine Kulisse.
Generell sind die Sicherheitsmaßnahmen enorm. Unglaublich viel Polizei, Counter-Terrorism, Spürhunde, alle Zufahrtsstraßen blockiert und man wird mehrfach durchsucht und abgescannt.
In Staten Island angekommen, steht man dann in einer riesigen Schlange und wartet darauf die letzte Etappe mit Bussen zum Start gefahren zu werden.
Es ist zwar strahlend blauer Himmel, aber es ist windig und es hat nur 4°C. Wir sind dick in alte Klamotten eingepackt, aber trotzdem um jede Minute im warmen Bus dankbar.
Das lange Warten auf der Start
Am Startareal angekommen, werden nochmals alle Taschen durchsucht bevor man in seinen Startbereich darf. Das Startareal ist riesig und in drei Blöcke unterteilt und jeder Läufer einem dieser Bereiche zugeteilt. Insgesamt gibt es 4 Startwellen mit jeweils 8 Startblöcken, in denen aus jedem Block die Läufer auf unterschiedlichen Wegen auf die Strecke gebracht und erst nach einigen Kilometern zusammengeführt werden. Da bekommt man ungefähr eine Idee von der Dimension des New York City Marathon, der mit über 52000 Startern der größte Marathon der Welt ist.
Michelle und ich haben glücklicherweise den gleichen Startblock, so dass wir zusammen auf den Start warten können. Ich habe außerdem angeboten nicht in der mir zugewiesenen ersten Welle zu starten, sondern mit Michelle in der dritten Welle auf die Strecke zu gehen.
Wir haben also gute 2,5 Stunden Zeit bis zum Start.
Netterweise bekommen wir von einer Deutsch-Amerikanerin eine Rettungsdecke geschenkt, auf die wir uns setzen können. Zusätzlich kann ich noch eine Isomatte ergattern, welche von einem Sponsor des Marathon verteilt werden.
Generell gibt es reichlich Verpflegung in Form von Bagels, Waffeln, Obst, Tee, Kaffee und Wasser. Das ist bei der langen Wartezeit aber auch absolut notwendig.
Wir können nicht oft genug betonen, was wir für ein Glück mit dem Wetter hatten. Wenn ich mir vorstelle, das ganze bei Regen aussitzen zu müssen – Katastrophe.
So kauerten wir also auf unserer Isomatte unter freiem Himmel und verbrachten die Zeit mit quatschen, zittern und essen. Am Ende haben wir es dann sogar geschafft uns so zu verquatschen, dass wir in unseren Startblock rennen mussten und dieser direkt nach uns geschlossen wurde.
Wir hatten auch in einem weiteren Punkt Glück: unser Startblock startete auf der obersten Etage der Verrazano Bridge. Die Brücke hat nämlich 2 Etagen und oben ist die Aussicht deutlich schöner.
Der New York City Marathon
Man bewegt sich mit ca. 5000 Läufern seiner Startgruppe zum Startbereich. Aus den Boxen dröhnt Frank Sinatra mit “New York” und dann geht es mit Konfetti auf die Strecke und auf die 2 Kilometer lange Brücke, die Staten Island mit Brooklyn verbindet. Der New York City Marathon geht ja durch alle Stadtteile – die so genannten Boroughs – Staten Island, Brooklyn, Queens, die Bronx und Manhattan.
Der Start über die Brücke bedeutet natürlich, dass der Marathon bergauf startet, denn man muss ja erstmal die Brücke hoch. Ich verabschiede mich von Michelle und laufe zügig los. Ich fräse mich relativ schnell durch das Feld, da ich schon deutlich schneller unterwegs bin als der Rest des Feldes. Wir bewegen uns im Bereich der 4,5 Stunden Finisher. Auf der Mitte der Brücke nehme ich mir die Zeit für ein paar Fotos. Ich habe mir ja generell vorgenommen die Atmosphäre zu genießen und vielleicht ein paar schöne Bilder mitzunehmen.
Am Ende der Brücke habe ich die Spitze des Feldes erreicht und kann auf den mega breiten Strassen von Brooklyn super locker meinen Pace laufen. Ich bin ziemlich überrascht, dass so wenig los ist. Das soll sich allerdings bald ändern.
Denn zum einen biegen die zwei anderen Startblöcke auf die Strecke ein und zum anderen laufe ich auf die 2. Startwelle auf, die 20 Minuten vor uns gestartet ist. Ich laufe in eine Wand von Menschen. Es ist mit einem Mal unfassbar voll und eng. Im Zickzack laufe ich durch die Menge, muss aber immer wieder abstoppen um nicht mit anderen Läufer zu kollidieren. Schon jetzt gehen(!) einige. Das ist in den USA nichts ungewöhnliches. Bei einem Zielschluss jenseits der 9 Stunden Marke kann man einen Marathon auch relativ gemächlich gehen.
Die Stimmung an der Strecke ist Bombe. Die Straßen sind gesäumt von Zuschauern. Ich nehme mir die Zeit und klatsche unzählige Kinder und Erwachsene ab, die sich darüber mega freuen. So frenetische Zuschauer, habe ich bisher nur in England erlebt. Absolut sportbegeistertes und sportverrücktes Land.
Trotzdem bin ich zeitweise mega angepisst, weil ich einfach nicht meinen Stiefel laufen kann. Als es dann in Brooklyn auch noch auf etwas engere Straßen geht, verschlimmert sich die Lage sogar noch weiter, so dass ich teilweise zum Gehen gezwungen werde. Immer wieder muss ich abstoppen.
Irgendwann denke ich mir: scheiß drauf, und verlagere mich auf’s Bilder machen und Abklatschen.
Das witzige ist, dass die Startnummern fortlaufend nach Startreihenfolge vergeben sind. So schaue ich zwischenzeitlich immer mal wieder in welchem Nummernkreis ich mich gerade bewege. Ich bin im Feld der 39000er Startnummern gestartet. Am Ende überqueren 13000 Läufer vor mir die Ziellinie. Das bedeutet, dass ich fast 26000 Menschen überholt habe. Das ist 2,5 mal das Gesamtfeld des Frankfurt Marathon. Unglaublich.
Das Problem ist allerdings, dass dieser sehr ineffiziente Laufstil ganz schön Körner kostet. Das ständige Abbremsen und über irgendwelche Beine springen geht gut in die Oberschenkel. Als wäre New York nicht schon schwer genug. Denn neben der kräftezehrenden Warterei am Morgen und den nicht wenigen Höhenmetern über die ganzen Brücken, kosten auch die Straßen richtig Kraft, da sie in einem enorm schlechten Zustand sind. Außerdem stecken mir ja noch die 42 Kilometer von Frankfurt in den Beinen, die ich eine Woche zuvor abgerissen habe.
Ich merke also schon bei Kilometer 30, dass das heute wehtun wird.
Die letzte Brücke der Strecke – rüber in die Bronx – ist kurz, aber die Auffahrt knackig und recht steil. Hier gehen mittlerweile sehr viele. Die Stimmung in der Bronx ist super gut und trägt einen Richtung Central Park.
Dort angelangt sind es immer noch gute 6,5 Kilometer bis zum Ziel. Die 5th Avenue ist vollgepackt mit Zuschauern, die zum Teil schon fast hysterisch sind und einen so krass anbrüllen, dass es in den Ohren schmerzt.
Die letzten Meter der Strecke kenne ich ja bereits vom Vortag. Wie gesagt, unspektakulär. Kurze Zielgerade, schmale Straße, kein Zielbogen. Aber ich bin wahnsinnig froh, endlich im Ziel zu sein. Ich bin doch ziemlich fertig.
Was nun folgt ist richtig ätzend. Im Gänsemarsch geht es durch den Zielbereich. Dieser zieht sich über einen Kilometer von der 67th bis zur 77th Straße. Auf dem Weg bekommt man seine Medaille, eine Rettungsdecke und einen Beutel mit etwas Verpflegung.
Man kann sich in NY entscheiden, ob man einen Kleiderbeutel abgeben will oder stattdessen einen Poncho nimmt. Ich habe mich für den Poncho entschieden. Aber ganz ehrlich, ich würde beim nächsten Mal lieber einen Beutel abgeben, denn so richtig warm ist der Poncho nicht, wenn man in seinen verschwitzten Klamotten im zugigen und kalten Manhattan rumsteht. Trotz des moderaten Wetters ist mir sau kalt.
Dann geht es nochmal 1,5 Kilometer den ganzen Weg zurück Richtung Columbus Circle zur Meeting Area. Also 2,5 Kilometer für den Afterrace-Bereich sind schon hart. Michelle hat einen Beutel abgegeben und für sie war der Weg sogar nochmal einen Kilometer länger.
Zum Glück haben mir Freunde ein trockenes Shirt und eine Jacke mit zum Ziel gebracht, ansonsten wäre ich beim Warten auf Michelle wohl erfroren.
Als diese nach ihrer Odyssee durch die Wechselzone endlich eintrifft, bin ich heilfroh und wir machen uns ohne Umschweife auf den Weg ins Hotel.
Es war uns ein Fest, New York City!
Das Fazit zum New York Marathon
Ja, der New York City Marathon ist schon geil. Er ist der größte Marathon den es gibt, gehört zu den sechs Majors und wird nächstes Jahr 50. Er ist also ein Klassiker und alleine deswegen zurecht auf der Bucket-List vieler Läufer.
Es ist schon cool mit so vielen Menschen durch eine Weltmetropole zu laufen. Ich hätte nur in meiner Startgruppe starten sollen, dann hätte ich ihn etwas mehr genießen können.
Die Stimmung an der Strecke ist richtig gut. So etwas habe ich bisher nur in London erlebt.
Aber man muss sich auch bewusst sein, dass das auch seine Schattenseiten mitbringt. Der lange Weg zum Start, die ewige Warterei in der Kälte, volle Strecke und lange Zielverpflegung. Was man auch nicht vergessen darf: Downtown Manhattan bekommt man nicht aus der Nähe zu sehen, denn der Marathon macht einen großen Bogen darum. Man bekommt einiges von der Stadt zu sehen, aber nicht das, was man sich auf einer Sightseeing-Tour anschauen würde. Das ist in Berlin, London, Paris oder Rom anders.
Auch die Startgebühr ist mit knapp 360$ schon echt heftig und das ist der „günstige“ Preis, wenn man direkt über die New York Road Runners einen Platz bekommt und nicht den Weg über einen Reiseveranstalter geht.
Ihr merkt, ich würde ihn nicht nochmal laufen. Abgehakt. Einmal reicht mir.
Aber in jedem Fall ein würdiger Lauf für meinen 30. Marathon.
Infos zum New York City Marathon auf der Veranstalter Webseite